Lautsprecherverstärker in Röhrentechnik

von Meinrad Götz
 aus ELO 2008
Elektronik-Labor  Labortagebuch  ELO  

Verstärker

Röhrentechnik im Zeitalter der Mikroprozessoren und digitalen Signalverarbeitung? Zugegeben die Zeit der Röhrentechnik im klassischen Elektronikbereich ist längst vorbei. In Spezialgebieten hat sie sich aber bis heute gehalten und auch eine kleine Gruppe von Musikfreunden schwört auf den Sound von Röhrenverstärkern. Letztere sind für viel Geld in einschlägigen Geschäften oder als aufwendige Bausätze zu haben. Deshalb soll hier ein einfacher Lautsprecherverstärker, wie er früher in jedem Radio, Tonband- oder Fernsehgerät vorhanden war, beschrieben werden. Die Bauteile dafür dürften auf manchem Dachboden in längst ausgedienten Geräten zu finden sein. Wenn sich der Verstärker weder in der Leistung noch im Design mit den mehreren hundert oder gar tausend Mark teuren Verstärkern des Marktes messen kann, wird er trotz allem den typisch warmen Röhrensound von sich geben. Zudem stellt er ein schönes Bastelprojekt dar und möchte zum Experimentieren einladen.

 
Doch zunächst einige Anmerkungen zur Elektronenröhre generell:


Bis zur Entwicklung des Transistor 1948 und bis zu seiner Serienreife (zunächst als Germaniumtransistor) war die Röhre das Verstärkerbauelement in der Elektronik schlechthin. Die Röhre hat in ihrer einfachsten Ausführung als Triode die Anschlüsse Kathode, Anode und Gitter. Die Kathode wird mit dem negativen Pol, die Anode mit dem Pluspol einer Gleichspannungsquelle (80 ... 200 V) verbunden. Gleichzeitig wird das Kathodenblech durch eine Heizwicklung stark erwärmt. Diese Erwärmung führt dazu, dass an der Kathode freie Elektronen in das Vakuum der Röhre austreten und zur positiven Anode wandern (physikalische Stromrichtung). Zwischen der Kathode und der Anode befindet sich das Gitter, welches man sich wie ein Sieb vorstellen muss. Legt man nun an dieses Gitter eine gegenüber der Kathode negative Spannung an, so werden die Elektronen mehr oder weniger auf ihrem Weg zur Anode gehindert. Je negativer das Gitter ist, um so mehr werden die Elektronen zur Kathode zurückgedrängt, um so weniger Strom fließt durch die Röhre. Es ist somit möglich den Anodenstrom durch eine mehr oder weniger große negative Spannung am Gitter leistungslos zu steuern. Wir sehen hier deutlich die Parallelen zum Transistor, nur dass dort die Ansteuerung (Basisstrom) nicht leistungslos erfolgt. Der bipolare Transistor kann daher nur bedingt mit der Röhre verglichen werden. Erst mit dem Feldeffekttransistor war ein Bauelement geschaffen, das wieder eine leistungslose Ansteuerung ermöglichte.

 

 

Bezeichnung der Röhren z.B. ECL 86


Der erste Buchstabe steht für die Heizungsart der Röhre. Das E bezeichnet eine Parallelheizung mit 6,3 V Heizspannung. Dies bedeutet, dass bei Geräten mit mehreren Röhren die Heizwendeln parallel an eine vom Netztransformator bereitgestellte Wechselspannung mit 6,3 V angeschlossen wurde. In Fernsehgeräten (wo man wesentlich mehr Röhren benötigte) kamen sogenannte P Röhren (z.B. PL86) zum Einsatz. Hier steht das P für eine Serienheizung mit 300 mA. Dazu wurden die Röhrenheizungen einfach in Reihe geschaltet, mit einem Vorwiderstand versehen und direkt an die 230 V Netzspannung angeschlossen. Die weiteren Buchstaben geben den Röhrentyp an. Das C steht für eine Triode, das L für eine Pentode. Für die Lautsprecherverstärker in Rundfunkgeräten, Tonbandgeräten usw. wurden sehr oft die Röhren EL 86, ECL 86 oder ähnliche eingesetzt. Bei der ECL sind zwei Röhrensystem in einem Glaskolben integriert (eine Triode für den Vorverstärker und eine Pentode für die Endstufe), während die EL eine reine Pentode darstellt.

 

Klasse A Lautsprecherverstärker


Wenn man heute einen einfachen Röhrenverstärker aufbauen möchte, so dürfte die Bauteilbeschaffung nicht ganz einfach sein. Für unseren kleinen Verstärker wird man die Bauteile aber wie bereits erwähnt in ausgedienten Radios oder Tonbandgeräten finden. Alte Fernsehgeräte sind da weniger ergiebig, da dort die P-Röhren zum Einsatz kamen. Die wichtigsten Bauteile, die wir uns beschaffen müssen, sind der Netztransformator, ein Gleichrichter, 350 V spannungsfeste Elektrolytkondensatoren, ein Ausgangsübertrager und natürlich die Röhre. Hier das Gesamtschaltbild des Verstärkers. Der Netztransformator liefert eine Wechselspannung mit ca. 210 V, welche durch einen Brückengleichrichter (wenn man seine Schaltung entsprechend der 60er Jahre aufbauen möchte, verwendet man dazu einen Seelengleichrichter) gleichgerichtet, und mit dem Kondensator C6a gesiebt. C6a/b/c besteht aus drei Kondensatoren in einem Gehäuse, die alle eine Spannungsfestigkeit von 350 V haben müssen. Neben der so gewonnenen Anodenspannung liefert der Transformator passend für E-Röhren die Heizspannung mit 6,3 V, die direkt auf die Heizwicklung der Röhre(n) geschaltet wird.

 


Die eigentliche Endstufe ist mit der Pentode aufgebaut. Im Anodenkreis liegt als Arbeitswiderstand der Ausgangsübertrager, welcher den niederohmigen Lautsprecher für die Röhre herauftransformiert. Der Arbeitspunkt der Röhre wird durch den Kathodenwiderstand R8 und den Gitterwiderstand R6,R7 bestimmt. Durch den Anodenstrom wird sich an R8 ein Spannungsabfall von ca. 16 V einstellen. Dadurch aber, dass das Gitter über R6, R7 auf 0 V liegt, ergibt sich effektiv am Gitter eine gegenüber der Kathode negative Spannung. Eine Pentode hat noch zwei weitere Gitter. Dies sind das Bremsgitter, welches intern an die Kathode gelegt ist und das Schirmgitter, das über das RC Glied R10, C6c ca. 220 V erhält. Das Eingangssignal wir über C1 dem mit einer Triode aufgebauten Vorverstärker zugeführt. Auch hier erfolgt die Arbeitspunkteinstellung mit dem Kathodenwiderstand R4. Der Verstärker weist eine Spannungsgegenkopplung "über alles" vom Ausgangsübertrager auf den Kathodenwiderstand der Triode auf. Durch diese Gegenkopplung werden die Verzerrungen klein gehalten und die Spannungsverstärker auf (R4+R5)/R4 festgelegt. Es ergibt sich somit eine Spannungsverstärkung von 23, so dass für 2 Watt Ausgangsleistung eine Eingangsspannung mit ca. 150 mV benötigt wird. Durch die Gegenkopplung "über alles" erhalten wir nicht nur eine definierte Verstärkung sondern auch wenig Verzerrungen. Es ist noch wichtig zu erwähnen, dass der Lautsprecher fest am Ausgangsübertrager angeschossen wird, da Röhren nicht im Leerlauf betrieben werden dürfen.

 

Spannungsfeste Kondensatoren


Dass in der Röhrentechnik die Betriebsspannungen etwas höher als heute üblich sind, haben wir schon gesehen. Neben den Siebkondensatoren C6A, C6b und C6c ist auch der Koppelkondensator C2 zwischen Vorverstärker und Endstufe mit 150 V beansprucht. Daher muss auch hier ein 250 V Kondensator eingesetzt werden. Ganz dicke kommt es beim C4 parallel zum Ausgangsübertrager. Dieser Kondensator muß ein 1000V Typ sein. Wenn man Glück hat, befindet sich solch ein Kondensator bereits an der Anschlussleiste des Ausgangsübertrager angelötet.

 

Mechanischer Aufbau


Diese kleine Schaltung lässt sich leicht in freier Verdrahtung ausführen. Dazu bietet es sich an, auf einer Lochrasterplatine einen Röhrensockel und die restlichen Bauteile zu plazieren. Der Transformator, Gleichrichter und die Siebkondensator waren bei mir bereits auf einem Metallchasis montiert, dessen Verdrahtung ich etwas angepasst habe. (Der frühere Spannungswahlschalter für 110/127 V konnte entfallen). Die Transformatoreinheit wurde bei mir unabhängig von der eigentlichen Röhrenschaltung montiert, so dass dieses "Netzteil" auch für andere Experimente zur Verfügung steht und an der eigentlichen Röhrenschaltung leicht experimentiert werden kann. Bild 3 zeigt den Aufbau der Komponenten vor dem Einbau in die Lautsprecherbox. Für die Endmontage wurde in die Rückwand der Box eine Chinchbuchse eingebaut und eine Kabeldurchführung für die Netzzuleitung angebracht. Es empfiehlt sich in der Rückwand (unten und oben) einige Lüftungsbohrungen anzubringen, damit die entstehende Wärmen abfließen kann und in der Box kein Hitzestau entsteht.

 

Sicherheitsvorkehrungen


Zum Schluss sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Schaltung aus dem 230 V Netz betrieben wird. Darum sind unbedingt die einschlägigen Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Insbesondere ist darauf zu achten, dass der Netztransformator den einschlägigen Sicherheitsanforderungen entspricht und die notwendigen Isolationsvorkehrungen getroffen werden müssen, um Schutzklasse II "Schutzisolierung" zu erreichen. Wegen der hohen Anodenspannung (Gleichspannung !!!) und hohen Betriebstemperatur der Röhre ist besondere Vorsicht geboten.