Europaempfänger „Colette"

Von Wieland Müller
 aus ELO 2009
Elektronik-Labor  Labortagebuch  ELO  HF

 

 

Gerade in der jetzigen Zeit, in der eine unübersehbare Anzahl von hochgezüchteten Empfängern den Radiomarkt überschwemmen, wird der selbstgebaute Geradeausempfänger wieder zum Kultobjekt. Die Colette empfängt im Mittelwellenbereich (500KHz-1630 KHz) und im Kurzwellenbereich (5,7MHz - 7,8 MHz/49m-41m Europaband) alle wichtigsten europäischen Sender mit der eingebauten Ferritstabantenne. Im 40 m Amateurband (7,0-7,1 MHz) können in den Abend- u. Nachtstunden mühelos europäische SSB- und CW-Stationen gehört werden. Bei Bedarf kann der Empfangsbereich durch das Aufstecken eines Scanners für ca 2 Euro auf UKW erweitert werden. Auf den Scanner wird ein 3,5-mm-Klinkenstecker geklebt, der in die seitlich angebrachte Klinkenbuchse der Colette gesteckt wird. Die FM Antenne bildet die interne Colette-Schaltung. In die Vorderfront der Colette ist zur genauen MEZ-Ermittlung ein Funkuhrmodul eingelassen. Durch einen Höhenregler kann die NF Bandbreite verringert werden (besonders bei KW Empfang nützlich). Über zwei LED wird Betriebszustand und Batteriekapazität (9V-6xR6) angezeigt. Das Mustergerät verfügt über zwei integrierte in Reihe geschaltete 1 Watt / 8 Ohm Flachlautsprecher und ist für eine Ausgangsleistung von 500 mW ausgelegt. Als aktive Bauelemente werden 5 Transistoren, 3 Dioden, 1 Fest-Spannungsregler und ein 1 W NF Verstärker (IC, Bausatz oder Fertiggerät) benötigt. Bei der Colette handelt es sich um ein echtes DX Gerät. Im KW Bereich sind alle wichtigen europäischen Stationen teilweise auch tagsüber gut zu empfangen. Einige Beispiele: Ukraine, Vatikan, Türkei, Polen, Tschechien, Slowakei, Rumänien, Österreich 1, Niederlande, Russland, Deutsche Welle usw. Die Trennschärfe ist so gut, dass zum Beispiel der Empfang der DW auf 6075 KHz kaum vom starken DRM Signal (Bayern 5) auf 6085 KHz beeinflusst wird. Die gleichen Leistungsmerkmale treffen für die MW zu. Ein Durchschlagen von Ortssendern ist nicht zu beobachten.

 

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Das Gerät arbeitet nach dem Prinzip des klassischen Rückkopplungsempfängers (engl. Regenerative Receiver). Dem Schwingkreis wird so viel HF-Energie zurück geführt, das seine eigenen und die durch Last entstehenden Verluste ausgeglichen werden. Diese Maßnahme führt zu einer erheblichen Empfindlichkeits- und Trennschärfesteigerung, die einem Super nicht nachsteht. Überschreitet die rückgeführte HF-Energie die Verlustgrenze beginnt die Colette mit einem leichten Rauschen zu schwingen. Jetzt sind alle empfangbaren AM Stationen beim Durchstimmen als Pfeifstellen erkennbar. Durch Zurücknehmen der Rückkopplung ist eine optimale Empfangsqualität einstellbar. Bei SSB und CW Stationen übernimmt der schwingende HF Teil die BFO Funktion. Jetzt ist nur etwas Fingerspitzengefühl bei der Abstimmung notwendig um Amateurfunkverkehr mithören zu können.


Stückliste:
R1=1 M, R2=12K, R3,R5,R8,R10,R13 = 470K, R4,R6,R9,R12,R14,R15 = 4,7K, R11=47K,R7=100 Ohm, R16=2,2K, R17=10K, P1, P3=100K, P2=50K
C1, C2=Luftdrehko 2x370pF, C3=47pF, C4=480pF, C6= Trimmer 8-12pF, C5, C7, C8, C9, C26=10nF (keram.), C11, C14, C16, C20, C25=470nF (keram.), C10=47µ, C15, C17=470µ, C24=2200µ, C18, C19, C21, C22,C23=4,7µ, C12=15pF(keram.)
L1= 9 Wind. CuAg Ø 1,5 mm, Anzapfung auf 4.Wind. nach kalt. Ende gelötet. Abstand zw. Wicklungen ca. 2mm. Spulenlänge horizontal auf ca. 2 cm gespreizt.
L2=1.5 W CuL Ø 0,5mm zw. Wind. kaltes Ende L1 gewickelt. L3=70 W HF Litze. L4=5 W über kaltes Ende L3, L5=3 W CuAg Ø 0,5mm auf 6mm Ø Spulenkörper. Wenn für L1 und L5 kein CuAg Draht vorhanden geht auch verzinnter Kupferdraht.
T1, T2=BF 199, T3, T4, T5=BC 108 B (*o.ä. BC Typen), D1=Uni-HF Diode, D2,D3=LED rot und grün, IC1=IC 7806 o.ä. Spannungsregler Ausgang 6 Volt, IC2= 1 Watt NF -IC, Bu1= 3,5mm Monoklinkenbuchse. S1/S2 Kippschalter mit 2 drei-poligen Schaltebenen
Für Ferritstab und Luftdrehko diente als Beschaffungsquelle ein altes Kofferradio. Alle anderen Bauelemente, Gehäuse, Knöpfe, Funkuhrmodul usw. wurden über diverse Elektronikversandhäuser (ELV, Conrad usw.) bezogen.


T1 sorgt mit seiner Kollektorschaltung für einen hohen Eingangswiderstand des HF Verstärkers. Da Stromverstärkung * Lastwiderstand = Eingangswiderstand der Eingangsstufe ergibt, sollte der hochverstärkende BF 199 eingesetzt werden. Ein weiterer BF 199 als T2 sorgt für gute Signalanhebung. T3 sollte deshalb unbedingt ein unkritischer BC-Typ sein, da sonst kein weiches Koppeln möglich ist. Bewährt hat sich bei mir der BC 108 B. Zum Ausprobieren sollte der T3 auswechselbar über Lötösen mit der Platine verbunden werden. R8 und D1 bilden eine einfache, aber wirkungsvolle AGC. Je höher die Eingangsspannung der D1 ist umso geringer wird ihr Eingangswiderstand. Der Eingangswiderstand kann bei hohen Signalen bis auf 10 K-Ohm fallen. R8 und D1 bilden also einen geregelten Spannungsteiler, der NF Pegel wird bei unterschiedlichen HF Eingangsspannungen stabilisiert. Wie wirksam die AGC ist kann man z.B. auf KW 6155 KHz ausprobieren. Ich kann Österreich 1 auf dieser Frequenz den ganzen Tag über ohne Nachregeln der Rückkopplung oder der Lautstärke in fast gleichbleibender Empfangsqualität hören. T4 und T5 sorgen für ausreichende Lautstärke beim Empfang von schwachen KW Stationen. Mit P1 wird die Betriebsspannung des HF Teils und somit auch die Verstärkung und die Rückkopplung dieser Geräteeinheit eingestellt. Der Spannungsregler IC 1 (Ausgang 6 V) stabilisiert die über P1 eingestellte Rückkopplung bei Spannungsschwankungen der 9 V Betriebsspannung. R17 wird so eingestellt, das D3 (LED grün) bei Erreichen der unteren Betriebsspannungsgrenze nur noch glimmt. C6 + L5 bilden eine Saugkreis für UKW Rundfunksender beim KW-Empfang. C6 wird so abgeglichen, dass eventueller verzerrter Empfang von FM-Stationen beseitigt wird. Durch volles Zurückdrehen von P1 wird der Colette HF Teil praktisch ausgeschaltet. Jetzt braucht nur noch der aufgesteckte Scanner in Betrieb genommen werden, um FM-Rundfunk mit der Colette zu ermöglichen. Alle langen NF Leitungen und das heiße Ende der KW Antennenspule sollten über abgeschirmtes Kabel verbunden werden. Bei erfolgreichem Nachbau dürfte das einfache Empfängerkonzept durch seine hohe Empfindlichkeit und Trennschärfe überzeugen.