Die CompactCassette hatte den 50. Geburtstag

von Rudolf Drabek, aeerde.wordpress.com                         
          
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Historisches

Die Philips CompactCassette habe ich als Prototyp zum ersten Mal anlässlich einer Dienstreise nach Hasselt/Flandern 1963 gesehen. Ich habe damals bei Hornyphon Wien als Radioentwickler gearbeitet. Eines der ersten Geräte war das EL3300:



Das Bild steht absichtlich kopfüber, wie man später sieht. Das Gerät hatte an der Seite DIN-Audiobuchsen. Hatte ein Aussteuerungsinstrument, den roten Aufnahmeknopf und einen Regler für die Aussteuerung. Batteriebetrieb. Die Wiedergabe, vor und rückspulen nahm man mit dem zentralen Knopf vor.

Wie Sie sicher wissen begann dann der Siegeszug dieser Kassette und viele Weltfirmen übernahmen den Standard. Sehr bald gab es Stereoversionen und letzten Endes auch Autoreversegeräte. Die Tonköpfe sahen so aus.
 



Links der ursprüngliche Monokopf, gefolgt vom Stereo- und Autoreversekopf. Es gab noch eine Zwischenvariante, wo der Stereokopf mechanisch um 180° gedreht wurde. Letzten Endes war aber dann ein Vierfachkopf einfacher.

1965 hatte mein Chef die Idee eines Radiorecorders, dessen Bedienung gut mit den Radiobedienelementen verknüpft war. Es gab zwei Varianten bei denen  ich die Elektronik entwickelte. 1966 und 1967 kamen die Geräte auf den Markt. Sehr viele Varianten folgten, die auch an anderen Philipsstandorten weiterentwickelt wurden.



22RL673 



22RR700

Das Kassettendeck war jenes vom EL3300, wo lediglich eine Blechlasche weggezwickt wurde. Im Gerät 22RL673 ist der Vor-Rückspulknopf noch an der Vorderseite des Gerätes. Die Wiedergabetaste liegt in Reihe mit den Wellenbereichstasten und war mechanisch verkoppelt. Eine Aufnahme wurde gestartet indem man die jeweilige Wellenbereichstaste hielt und den Wiedergabeknopf dazu drückte. Eine zum Patent angemeldete Lösung vermied Löschoszillatorpfeifstörungen im Lang und Mittelwellenbereich beim 22RL673.  Einfach gesagt: Aktivierte man die Aufnahmefunktion, so wurde nachgesehen, ob ein Pfeifton, bedingt durch die Oberwellen des Löschoszillators, entstehen würde. Im Fall JA wurde die Frequenz des Löschoszillators umgeschaltet. Meines Wissens musste das bei anderen Radiorecordern manuell erfolgen. Diese Schaltung entfiel im 22RR700, wo wir eine Gleichfeldlöschung vorsahen, aber für die Vormagnetisierung wurde ein gegensinniges HF-Magnetfeld angewendet, das für die Ferritantenne kompensiert war. Deshalb war im 22RR700 ein Stereokopf eingebaut, obwohl es ein Monogerät war.

Mein Neuestes, jetzt auch schon fast 30 Jahre altes Spitzengerät ist ein Aiwa Stereo Autoreverse Radiorecorder, das sogar den Fernsehton empfangen konnte. Es war mit einem 2V-Bleiakku ausgestattet, der aber leider bald sein Leben aushauchte. Im geöffneten Gerät sieht man gut die zwei Capstans und Löschköpfe. Das Gerät hatte auch schon Dolby zur Verbesserung der Tonqualität. Üblicherweise hatten die Walkman’s ja nur eine Wiedergabefunktion für die vielen Titel die man kaufen konnte. Sony hatte damit außerordentlich großen Erfolg am Markt.



  


Das war sozusagen der Nachruf für die Kompaktkassette, an deren Anwendung ich auch ein wenig beteiligt war.

Warum es dann so etwa ab Mitte der 80’erJahre bergab ging war die Audio-CD, mit der es gerade auch bergab geht. Die Audio-CD war übrigens ein Ableger der Philips LaserDisc, die mit der Größe einer LP eine halbe Stunde Videospieldauer möglich machte. Damals gab es in Europa noch keine Datenreduktion a la MPEG. Sonst würde auf eine DVD mit 12 cm nie 4 Stunden Video passen. Mit 16:9 TV gab’s was ähnliches, aber das ist einen eigene Story.Einen letzten Versuch mit der CompactCassette gab es noch im Jahr 2000 von Panasonic und Philips gemeinsam, nämlich eine Digital-Compact-Cassette sprich DCC einzuführen.  Von Sony gab es noch den Versuch mit der Music Disk MD. Daraus wurde alles nichts.

 

Es stieg Apple in den Ring mit den IPOD Modellen. Plötzlich konnte man stundenlang Musik hören mit einem kleinen, leichten und stoßsicheren Gerätchen. Das war das Todesurteil für CC, DCC und MD. Na ja, ein Produktzyklus dauert so um die 30 Jahre und war für den Videorecorder auch etwa gleich lang. Bisher habe ich ja nur über die Produkte selbst geschrieben. Aber was war der Treiber hinter den Kulissen?


Aufzeichnungsdichte

Einer davon ist die Aufzeichnungsdichte und da möchte ich noch einige Worte verlieren: Sie wissen ja noch: Die berühmten Revox Tonbandgeräte als TOP Marke hatten auch die Bandgeschwindigkeit von 38 cm/sec, was also 15 Zoll/sec entspricht. Daraus leiten sich alle anderen Geschwindigkeiten, auch die der CC mit 4,75 cm/sec was also 15/8 Zoll/sec ist. Warum Zoll der Ursprung ist und nicht metrisch weiß ich nicht. Eine C90 Cassette mit 2 x 45 min Spieldauer hatte also eine Spurlänge von 2x 60sec/min x 45min = 25650 cm  In der Cassette waren also etwas 125 m Tonband. Die Spurbreite Mono ist 1,6 mm. Stereo 2x 0,75 mm mit etwas Abstand dazwischen.

Die Spalteinlage im Tonkopf bei Mono war eine Folie mit 2 Mikron also 0,002 mm Das sieht man kaum, kann es aber erahnen in den folgenden zwei Bildern. Damit lag die höchste Aufzeichnungsfrequenz so knapp über 10000 Hz.



  

Aus diesem schmalen Spalt tritt bei Aufnahme das Magnetfeld aus und magnetisiert das Tonband. Es ist deshalb auch sehr wichtig, dass das Band eng am Tonkopf anliegt. Bereits ein Abstand in der Größe der Spaltlänge hätte bereits fatale Folgen, nämlich eine fehlerhafte Aufnahme. Das gilt übrigens auch für modernste Festplatten wo der Abstand schon in Atomdurchmessern angegeben werden kann.

Diese Spaltbreite mal der Spurbreite ergibt den Flächenbedarf für die kleinste Informationsmenge von einem BIT. Da es aber eine Analogaufnahme ist kann man das als ein Byte zu 8 Bit definieren. Das ergibt eine Rasterung von 1/256 oder etwas vereinfacht eine Dynamik von 48 dB. Mehr  konnte man nur mit Dolby erreichen.

1 Byte hatte also einen Flächenbedarf von 2µ x 1600 µ = 3200 µ²/Byte oder 400 µ²/Bit
Nachdem man bei Festplatten mit Einheiten von Gbit/cm² rechnet:
1 cm² hat 10000µ x 10000µ. Das sind 100 Millionen µ² / cm²
Ich rechne das deshalb so langsam, da man bei diesen Größen leicht die Vorstellung verliert.

Das ergibt 100 Mio/ 400 = 0,25 MegaBit/cm² für die CC. Das ist immerhin auch schon im Mega Bereich. Eine moderne Festplatte, aber nicht die Grenze der Technologie, hat 30 GigaBit/cm².
http://www.heise.de/ct/meldung/Hitachi-erhoeht-Festplatten-Datendichte-auf-610-GBit-pro-Quadratzoll-192798.html

Das ist  120000 mal dichter als die CompactCassette. Fast unvorstellbar, aber wäre die Aufzeichnungsdichte einer CC so hoch wie auf einer Festplatte, so wäre die erforderliche Bandlänge für eine C90 Kassette nicht 125 Meter sondern gerade 1 Millimeter bei 3,81 mm Bandbreite der CC. Da kann man erst einmal staunen!

Bei USB-Sticks sieht die Lage, state of the art, so aus: 80 GigaBit/cm². Also so ähnlich dicht wie Festplatten.
http://www.heise.de/ct/meldung/Flash-Speicher-fasst-mehr-als-10-Gigabyte-pro-Quadratzentimeter-1804412.html
In Zukunft wird sich im PC keine Festplatte mehr drehen. Die Anfänge sind ja schon da. Unglaublich was die technologische Entwicklung zustande bringt.


Zukunftssicherheit von Hochtechnologien


Aber bedenken Sie: Die CompactCassette hat, für heute,  nur primitive Technologien benötigt. Auch einfache Transistoren und IC’s sind mit heute primitiven Maschinen herstellbar.

Flashspeicher, Festplatten und BlueRay sind, natürlich aus heutiger Sicht, komplexe Technologien. Außerdem treten Fragen wie die der Datensicherheit über die Zeit auf. Man spricht von 30 Jahren. Es gibt Vollglas-CDs die 1000 Jahre halten sollen. Aber gibt es dann Abspielgeräte? Die müssen ähnliche Haltbarkeit haben. Was ist das gegen Bücher, die schon über 2000 Jahre überdauert haben. Das Auge reicht um sie zu lesen. Mikrofilm ist auch nicht schlecht. Mikroskope sind einfache Geräte.

Das Wissen der Menschheit dauerhaft zu speichern und einfach wieder lesen zu können (für wen?) ist eine schwierige Aufgabe. In meinen Augen schwieriger als den Atommüll für 250000 Jahre zu verstecken. Dann ist auch Plutonium bis auf 1 %o zu Blei geworden.

Aus Sicht von möglichen zukünftigen Katastrophen wie z.B. ein Saurierkometeneinschlag sollte man primitive Technologien nicht gering schätzen. Ich denke dabei auch an die einfache  AM und FM Radiotechnologie. Das kann heute fast jeder selbst umsetzen. Digital Radio ist da fragwürdig. Ich hoffe ein wenig Interesse geweckt zu haben.

(Alle Bilder sind von mir mit meiner Lumix selbst fotografiert. Mit Namensnennung  und Quelle frei verwendbar.)


Ergänzung von Bernhard Schnurr
 
Die Abspielgeräte müssen nicht unbedingt vorrätig gehalten werden, auch nicht für  magnetische Aufzeichnung. Eine 3 1/2 Zoll Floppy-Folie kann man z.B. in Magnetpulversuspension tauchen und danach optisch lesen. Eine Festplatte kann man prinzipiell mit einem magnetischen Raster-Kraftmikroskop abtasten und die Information ohne Rotation der Scheibe gewinnen. Aber man muss auf die Idee kommen.
 
Es ist also erforderlich den Datenträger so zu kennzeichnen, dass die Finder diesen als Datenträger erkennen können. Wenn die erst mal auf die Idee gekommen sind, die goldbedampfte Glasscheibe unter das Mikroskop zu legen und nicht den Kindern zum Spielen zu überlassen, dann kommen die auch darauf, dass in den Mustern Information codiert ist und bauen ein Lesegerät.
Man sollte es den Nachkommen natürlich nicht unnötig schwer machen. Nicht zu dicht und mit einer einfachen Codierungen oder z.B. Bilder in stets dem selben, einfachen Format speichern.


Kasettenbandsalat, eine Frage von Peter Krueger

Meine Frage an den Experten: Was waren eigentlich die Ursachen von einem Kasettenbandsalat?

Mögliche Gründe sind:
1. Schwache Bremse: Band reisst aus.
2. Filzkupplung zum Aufwickeln nach dem Capstan hat versagt.
3. Kleine Peese gerissen.
4.Über Kassetteneinflüsse weiss ich nichts, wird es aber wohl auch geben. Z.B. starke elektrostatische Aufladung des Bandes.
5. Verschmutzter Capstan. Nach vielen Kasetten baut sich ein starker Schmutzrand auf.
6. Die Andruckrolle  steht schräg oder ist ungleich abgenutzt und zieht das Band aus der Richtung.


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