Mit welcher Senderleistung ist in welchem Abstand
theoretisch welche Antennenspannung am Empfänger zu erwarten? Diese Frage
beschäftigt mich aus mehreren Blickwinkeln. Im Amateurfunk steht die Frage im
Mittelpunkt, mit welcher Leistung man wie weit kommen kann. Und in den
EMV-Richtlinien ist angegeben, welche maximale elektrische Feldstärke in dBµV/m
erlaubt ist, was man aber erstmal in die richtige Antennenspannung übersetzen
muss.
In CQDL 1/2018 gab es einen interessanten Artikel von Bert
Kruyswijk, PA1B, der sich Amateurfunk mit kleinster Sendeleistung beschäftigt
hat. In der Vergangenheit waren 100 Watt der Standard im Amateurfunk, was aber
in den meisten Fällen viel mehr ist als nötig. Ganz erstaunlich, oft geht es
auch mit 1 W oder sogar mit 100 mW. Genau diese Erfahrungen habe ich mit WSPR
gemacht. Einmal reichten sogar 100 mW bis nach Australien.
Im Netz habe ich intensiv nach einer einfachen Formel
gesucht, um die zu erwartende Nutzspannung an einem Dipol zu berechnen. Es war
nichts zu finden, und inzwischen ist mur auch klar geworden, warum. So eine
Formel kann es nicht geben, weil sie zu sehr von den vielen Eigenschaften einer
Antenne abhängt. Aber mir wäre schon mit einer Näherung geholfen.
Im Zusammenhang mit dem Personenschutz habe ich eine Formel
gefunden, die die elektrische Feldstärke im Nahfeld einer Antenne beschreibt.
Ich muss nämlich dafür sorgen, dass kein Mensch mehr als 27,5 V/m abbekommt.
E = 1/r * (Zo * P / 4Pi) ^-2
Darin ist E die elektrische Feldstärke in V/m, r der Abstand
von der Antenne, Zo der Wellenwiderstand des leeren Raumes mit 377 Ohm und P die Sendeleistung in W.
Wenn ich diese Formel auch für das Fernfeld anwende und die
Sendleitung mit einem Watt eingebe, bekomme ich folgende Feldstärken:
5 V/m im Abstand 1m
5 mV/m im Abstand 1 km
5 µV/m im Abstand 1000 km
Das sagt aber noch nicht, welche Spannung ich an der Antenne
erwarten kann. Es hängt entscheidend auch von der Größe der Antenne und von
anderen Faktoren ab. Mal ganz grob geschätzt: Wenn ich eine 1 m lange
Stabantenne verwende, dann bekomme ich vielleicht bei 1 µV/m gerade 1 µV an den
Empfänger? Aber in 20m-Band wäre mein Dipol ja 10 m lang. Vielleicht bekomme
ich dann 50 µV (S9!) von einer Station mit 1 W in 1000 km Entfernung. So ganz
verkehrt ist das nicht, aber nach den realen Erfahrungen erwarte ich eher S7
oder S8. Und tatsächlich zeigen die folgenden Überlegungen, dass ich bei einer
Feldstärke von bei 5 µV/m eher mit einer
Antennenspannung von 2 µV rechnen kann.
Berechnung über die
effektive Antennenfläche
Die Fläche r² auf einer Kugeloberfläche
Aber jetzt noch mal an ganz anderer Ansatz. Ich gehe einmal
davon aus, dass die Leistung kugelsymmetrisch abgestrahlt wird, und dass es
keine Dämpfung gibt. Dann empfängt jede beliebige Kugel mit dem Sender im
Mittelpunkt insgesamt die volle Leistung. Angenommen, meine Antenne bekommt
davon einen Anteil entsprechend einer Fläche von einem Quadratmeter, dann kann
ich die empfangene Leistung berechnen.
Die Kugeloberflüche ist 4 Pi r², also bei einem Radius von 1
m gerade 12,5 m². Wenn meine Antenne eine wirksame Fläche von 1 m² hat, bekommt
sie von einem Watt gerade einen Anteil von 80 mW. Bei einer Antennenimpedanz
von 50 Ohm entspricht das einer Antennenspannung von 2 V.
Oder
2 mV in 1 km,
2 µV in 1000 km
Damit ist im Vergleich zur ersten Rechnung auch die Frage
beantwortet, welche Antennenspannung ich bei welcher Feldstärke erwarten kann. Grobe
Näherung: Bei 1 µV an 50 Ohm und einem 1 m langen Dipol in Resonanz (150 MHz)
beträgt die elektrische Feldstäre etwa 2,5 µV/m.
Wenn ich davon ausgehe, dass ein Dipol mit einer
Gesamtlänge von 1 m eine Empfangsfläche von 1 m² hat, würde man also im
2m-Band bei einem Lambda-Halbe-Dipol
etwa diese Spannungen bekommen. Aber für einen vergleichbaren Dipol im 20m-Band
wären es zehnmal mehr. Für einen Sender mit 1 W kann ich dann folgende
Antennenspannungen an 50 Ohm erwarten:
20 µV auf 14 MHz in
1000 km (S8)
2 µV auf 14 MHz in 10.000 km (S4 bis S5)
Tatsächlich gibt es Gründe dafür, dass es sogar etwas
mehr sein kann. Ein Dipol strahlt ja nicht kugelförmig ab, sondern hat eine
Vorzugsrichtung. Und ein Teil der nach unten abgestrahlten Energie wird
reflektiert und kann das Signal verstärken. Und die Empfangsantenne kann dank
genauer Resonanz und hoher Güte eine größere Fläche aus dem Energiefeld
abernten. Aber es kann auch sehr viel weniger werden, wenn eine starke Dämpfung
auf der Strecke auftritt. Alles in allem schwanken die Feldstärken
üblicherweise um mehr als 10 dB. Deshalb reicht vielleicht meine grobe
Näherungsrechnung für eine erste Abschätzung der zu erwartenden
Antennenspannung.
Wenn ich versuche, das mit Rundfunksendern nachzumessen,
kann ich meinen Ortssender Langenberg mit 100 kW auf 99,2 MHz in recht genau 10
km Entfernung verwenden. Der müsste 60 mV an 50 Ohm bringen, wenn die Antenne
eine Wirkfläche von 1 m² hat. Das wären dann 94 dBµV. Mein Radio mit einer
Stabantenne zeigt aber 60 dBµV, also 1 mV. Alle anderen Messungen kommen
ebenfalls immer wieder auf etwa 1 mV. Das würde also bedeuten, dass eine
zusätzliche Dämpfung von 34 dB auftritt. Kann schon sein, denn das Signal quält
sich durch lange Häuserschluchten und viele Wände bis in mein Labor. Wenn ich
aber in Fabis Dachstube steige, kann ich den Sender direkt sehen. Aus dem
Dachfenster gehalten bringt die Antenne dann 80 dBµV, das ist die Obergrenze
des Anzeigebereichs.
Empfangsspannung aktiver Antennen
Norbert,
OE9NRH schrieb mir: "In meinem HF-Handbuch (Meinke/Gundlach)
steht, dass die effektive Empfangsfläche von der Größe der Antenne
unabhängig ist. In der Antennentabelle für gekürzte Lambda/4 Antennen
sehen die Formeln alle gleich aus. Darum ist es ja auch erst möglich
Aktivantennen zu bauen. Das Problem ist nicht die Antennengröße,
sondern, dass sehr kurze Antennen im Sendefall sehr schwer angepasst
werden können. Durch den hohen Eingangswiderstand eines sehr kurzen
Drahtes entstehen bei gleicher Leistung sehr hohe Spannungen bereits
bei der Einkoppelstelle, die Probleme verursachen. Es gibt einen
deutschen Amateurfunker, der tapfer mit kurzen Sendeantennen
experimentiert. Bierdosenantenne:
http://dl7ahw.bplaced.net/Spraycanantenne.htm"
Meine Versuche
mit kurzen Antennendrähten an einem hochohmigen FET-Eingang bestätigen
das. Im Prinzip ist die reine Empfangsantenne beliebig breitbandig und
überall gleich empfindlich. Allerdings sinkt der Eingangswiderstand des
FET auf den höheren Frequenzen deutlich ab. Eine ähnliche Situation hat
man, wenn eine Stabantenne direkt an einem Schwingkreis liegt, der ja
in Resonanz auch hochohmig ist. Das ist bei Autoradios im
Mittelwellenbereich und bis in den UKW-Bereich sehr erfolgreich.
Und auch kleine tragbare Radios arbeiten so.
Genauso ist eine
Magnetische Loop im Kurzschlussbetrieb extrem breitbandig. Als aktive
Empfangsantenne im Haus war die aktive magnetische Loop besser, weil
sie weniger Störungen aufnimmt. Allerdings war ein frei hängender Dipol
im Garten mit Balun und Koaxkabel noch einmal deutlich besser, wenn es
darum ging, schwache Signale zu hören. Für diesen Fall gilt die
Abschätzung der Antennenspannung oben.
Geschätzte Reichweiteund Sendeleistung
Mit
welcher Sendeleistung kann man welche Entfernung überbrücken? Das hängt
natürlich stark von der Antenne und von der Betriebsart ab. Im
letzten Jahr hatte ich schon mal eine Abschätzung im Zusammenhang mit WSPR-Empfangsergebnissen.
Meine Schätzung damals: Wenn ich mit WSPR und 100 mW klar empfangen
werde, müssten es bei CW rund 4 W sein. Und SSB braucht dann etwa 50 W.
Bei den Versuchen mit WSPR habe ich damals eine Abschätzung der
Streckendämpfung bekommen. Innerhalb Europas muss man mit rund 120 dB
rechnen. Wenn ich 1 V an meine Dipolantenne (1 V an 50 Ohm, 20 mW)
lege, kommt an einem ähnlichen Dipol in 300 km bis 1000 km Entfernung
etwa 1 µV (ca. S3) an. Mit 10 V (2 W) sind es 10 µV (ca. S7), mit 100 V
(200 W) komme ich auf 100 µV also ca. S9. Das ist nur wenig schlechter,
als ich für eine ideale Antenne gerechnet habe.
Malte hat mich auf eine andere Übersicht hingewiesen: http://www.qsl.net/kp4md/wsprmodes.htm
Diese um 10 dB weniger optimistische Einschätzung geht davon aus,
dass man CW etwa 400-mal mehr Leistung braucht als für WSPR. Die
Signale liegen dann schon nicht mehr an der unteren Grenze, sondern
sind bequem lesbar. Dies trifft dann zu, wenn mein WSPR-Signal mit ca.
0 dB empfangen wird. Das kommt trotz der geringen Leistung von etwa 2 W
und der ungünstigen Antennenlage relativ oft vor.
Auf
Kurzwelle sind Schwankungen weit über 10 dB ganz normal. Die meisten meiner
WSPR-Signale werden in Europe mit -10 dB empfangen. Dann kommt ein CW-Signal
nur noch mit S3 bis S4 an. Wenn die Gegenstation eine gute Antenne hat, recht
es gerade noch. Ich selbst kann solche schwachen Signale leider nicht mehr
empfangen, weil das Grundrauschen an meinen Antennen deutlich höher liegt.
HF-Leistungsmessung
Meine unter beengten Platzverhältnissen aufgebaute Antenne bringt es
mit sich, dass ich bis auf 1 m an den Gartenzaun gehen muss. Das
bedeutet, dass ich nur eine maximale Sendeleistung von 10 W verwenden
darf, um die erlaubten Grenzwerte für das Nachbargrundstück nicht zu
überschreiten. Mein TS-520S bringt aber bis zu 100 W und darf deshalb
nicht voll ausgesteuert werden. Um die Leistung zu messen verwende ich
eine Dummy Load mit 50 Ohm, aufgebaut aus drei parallelen Widerständen
mit je 150 Ohm /2W. Sie wurden zwar schon mal stark überlastet und
haben ihren Lack eingebüßt, aber der Widerstand stimmt noch. Der
Lastwiderstand ist über einen Kondensator angeschlossen, weil ich
manchmal eine Steuerspannung mit über das Kabel schicke. Eine Si-Diode
richtet die HF gleich und lädt den Kondensator am Ausgang auf die
Scheitelspannung.
Wenn man 10 W auf einen Widerstand von 50 Ohm bringt, beträgt die
effektive Spannung 22,4 V. Die Spitzenspannung ist dann 31,7 V. 0,7 V
gehen in der Si-Diode verloren. Das Messgerät zeigt also 31 V. Mit
diesem Grenzwert habe ich meinen Transceiver eingestellt. Es hat sich
gezeigt, dass ich den Anodenstrom der Endstufe bis 120 mA aussteuern
darf, dann bringt das Gerät gerade 10 W. Die Messung habe ich dann noch
einmal am Ende des Antennenkabels wiederholt. Dabei konnten keine
nennenswerten Verluste festgestellt werden. Ich weiß also jetzt, wie
ich den Sender einstellen muss, um die Grenzwerte einzuhalten.
Meinen Eigenbau-Transceiver auf der Basis des Elektor-SDR habe ich bei
der Gelegenheit auch noch einmal überprüft. Er bringt je nach Band
zwischen 2 W und 5 W, ist also immer auf der sicheren Seite. Meine
Erfahrungen mit CW-QSOs der letzten Zeit waren übrigens, dass die etwas
kleinere Leistung völlig ausreicht. Ganz Europa ist erreichbar. Größere
Entfernungen sind eher auf der Empfängerseite das Problem, weil das
Grundrauschen an diesem Standort relativ hoch ist.