Röhren für Kleinstspannungs-Anwendungen
Uwe Faulenbach ® August 2015
0.1. Einleitung
Es wird von Bastlern
angenommen, daß Exemplar-Streuungen
der Steilheit von Röhren im
Herstellungsprozeß sich in Schaltungen
mit 12V Versorgungsspannungen enorm auswirken. Das ist nur scheinbar
zutreffend. Mir ist dazu im Netz auch aufgefallen, daß U$-amerikanische Röhrenprüfgeräte vorwiegend nach
Steilheitswerte beurteilen; während Röhrenprüfgeräte von europäischen Herstellern
vorwiegend die Anodenströme bewerten. Beide
Verfahren sind für den Hochvoltbereich
hinreichend genau, aber für Bastler welche mit
Hochvoltröhren im Kleinstspannungsbereich bis
20V arbeiten, doch arg irreführend.
Irreführend, weil sich die Bewertung der Steilheit mehr am
Symptom orientiert, und die Bewertung nach Anodenstrom im Hochvoltbereich, nur
bedingte Aussagekraft über die
Verwendbarkeit von Röhren im
Kleinstspannungsbereich hat. Dieses erscheint Uneingeweihten ein Widerspruch.
Gemäß dem, was ich gemessen habe, sind diese
Aussagen vielmehr eine indirekte Bestätigung sind.
0.2. Die Steilheit ist nur das Symptom
- nicht Ursache des Problem!
Beweis: Es gibt Röhren, welche für geringe Steilheiten
konstruiert und gebaut wurden, welche sich trotzdem in 12V-Schaltungen tapfer
behaupten – z.B. die legendäre RV12P2000 und ihr Nachbau die 12Ж1Л (12SH1L; 12J1L;
12Zh1L) - und zwar mit einer Steilheit von nur S=1,5mA/V (laut Datenblatt). Zudem: Die
mechanische Ausführung eines Röhrentyps ist innerhalb einer Fertigungsserie eines
Herstellers bei allen Röhren untereinander
weitgehend identisch; und die Röhren ändern während der Lagerung
und Nutzung auch nicht ihren mechanischen Werte. Daran kann es also auch nicht
liegen.
Auch viele Batterieröhren wie die NOS DF91, DL93, DL98 usw. mit
Steilheitswerten von S=0,17mA/V bis 3mA/V halten sich vergleichsweise tapfer (9).
Die EF95 und ihre Austauschtypen hingegen haben laut Datenblatt eine Steilheit
um 5mA/V, wobei dieser Allerwelts-Standard-Röhren oft Probleme
bereitet. Sie eignen sich offenbar nicht immer für
Kleinstspannungsanwendungen. Die Autoröhren (EF97, EF98,
ECC86 usw.) hingegen mit ihren Werten um 2mA/V bis 5mA/V machen trotz ihrer
Streuungen in der Steilheit ebenfalls keine Probleme. Das gleiche trifft für viele Spanngitter-Röhrentypen zu.
ERGO: Also an
der Steilheit kann es nicht liegen.
1.1. Funktionsweise
der Hochvakuum-Röhren
In dieser
Studie möchte ich mich weitgehend nur auf Hochvakuum-Röhren mit
indirekt geheizten Oxydkathode beschränken. Denn diese machen den
größten Teil jener Röhren aus, die heute fürs Basteln mit
Elektronenröhren
verwendet werden. Die Heizung soll sich stets im Betriebszustand
befinden,
soweit nichts anderes geschrieben steht.
Die genannten Röhren haben i.d.R. in ihrem Arbeitsraum (meistens sind
dieses Glaskolben) ein sehr hohes Vakuum von 10-6 ….. 10-7 Torr. Der uns umgebende
Luftdruck beträgt hingegen rund 760
Torr = 101325 Pa = 1013,25 hPa. Die Restluft in einer Röhre entspricht daher in etwa folgendem: In einem Hohlraum
der Größe von 1m Höhe * 1m Breite *1m Länge – also von einem Kubikmeter (1m3)
befindet sich ein Vakuum mit einer Restluft von nur einem Kubikmillimeter (1mm3)
Luft (unter
Normaldruck).
Das ist so wenig, daß die restlichen Atome
so verdünnt vorkommen, daß die Elektronen in der Röhre
praktisch nicht mit den Restgasen zusammen stoßen
können.
Die
einfachste Ausführung einer Hochvakuum-Röhre
ist die Hochvakuum-Diode mit Glühkathode – kurz Diode genannt. Sie hat
eine Glühkathode und eine Anode. Elektronen mit ausreichender
Austrittsenergie aus der Glühkathode vermögen gegen eine gegenüber der
Kathode
schwachen negativ geladenen Anode sowie sich dort bereits befindenden
Elektronen anzudrängen. Es bildet sich
so eine Elektronenwolke um die Kathode, welche alle leitenden Teile in
der Röhre negativ aufladen – also auch die Anode.
Ist die Anode mit der Kathode verbunden, so fließt
ein schwacher von der Kathodentemperatur abhängiger Anodenstrom.
Diesen Strom nennen wir Anlaufstrom.
Die
einfache Verstärkerröhre ist die Triode – also eine Röhre mit drei
Elektroden: Kathode, Steuergitter und Anode. Die Tetrode und Pentode
besitzt
zusätzlich zwischen dem Steuergitter und der
Anode noch ein Schirmgitter, welches das Steuergitter vor dem Einfluß
der Anode abschirmt. Die Pentode besitzt zudem gegenüber der Tetrode
zwischen Schirmgitter und Anode noch ein
sogenanntes Bremsgitter, welches das Schirmgitter vor den Vorgängen an
der Anoden und anderen Einflüssen von der Anode her schützt
– diese Einflüsse
sozusagen „ausbremst“.
Ist das
Steuergitter
einer Triode über einen hochohmigen
Widerstand mit der Kathode verbunden, so fließt
ein schwacher Strom durch diesen Widerstand und es bildet sich im
Steuergitter
durch diesen Anlaufstrom ein negatives Spannungspotential gegenüber der
Kathode aus, welches häufig Gittervorspannung genannt wird. Diese
Gittervorspannung drängt durch ihre
negative Ladung ein Teil der Elektronen wieder in Richtung Kathode
zurück. Je höher die negative
Spannung am Steuergitters ist, um so energischer drängt das
Steuergitter die Elektronen zur Kathode zurück. Ein offenes
Steuergitter wird dieses durch den
Anlaufstrom derart stark negativ aufgeladen, daß
fast keine Elektronen mehr zur Anode gelangen können.
Auf diesem Prinzip basiert die Verstärkerwirkung der Röhren.
1.2. Allgemeine Betrachtungen von
Hochvoltröhren
Hochvoltröhren
mit indirekter Heizung und Oxydkathode arbeiten im
Normalbetrieb nicht bis in den Sättigungsstrombereich;
sondern nur bis Ik(max) =0,01*Isät. Zwar ist die Steilheit einer Röhre
(im Hochvoltbereich) weitgehend durch ihre Konstruktion und dem
Schaltungsaufbau, in der sie sich befindet, bestimmt. Doch zeigt sich
innerhalb
eines Röhrentyps stets der Zusammenhang
zwischen Kathoden-Strom und Steilheit der Röhre. Z.B. bei
Alterung einer Röhren sinkt wegen
nachlassender Emissionsleistung der Kathode auch der Kathoden-Strom und
somit
auch deren Steilheit. Denn wo wenige Elektronen fließen, vermag selbst
das „beste“ bzw. „schärfste“ Steuergitter nur
wenige Elektronenströme zu steuern. (1)
Da man in den 30er
bis 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den üblichen
Schaltungen nur Verstärkerröhren aus der üblichen
Hochvolt-Schaltungstechnik verwendete (mit Ausnahme der Autoröhren und Röhren in den Schwerhörigen-Geräte usw.), handelt es sich
auch heute bei den üblichen Röhren noch weitgehend um modernen Hochvoltröhren – also um Röhren für Betriebsspannungen
von 60V bis über 1000V. Die Masse
der Röhren wurden auch hierfür entwickelt und gebaut. Daher soll auch unter diesem
Punkt vorwiegend diese modernen Hochvoltröhren betrachtet
werden.
Die genannten Röhren werden i.d.R. über Kathodenwiderstände betrieben, wodurch bei sinkendem Kathodenstrom die
Spannung zwischen Kathode und Steuergitter (-UGK) ebenfalls sinkt.
Das Sinken von -UGK wirkt nun
seinerseits dem sinkende Kathodenstrom entgegen.
In
Widerstandsverstärkern mit Trioden sind die Anoden über Widerstände mit
der
Betriebsspannungsquelle verbunden. Analog dazu ist das Schirmgitter von
Pentoden in üblichen Verstärkerschaltungen über Widerstände mit dieser
Spannungsquelle verbunden. (Nur in besonderen Fällen wird das
Schirmgitter bei Pentoden über einen Spannungsteiler betrieben – z.B.
Rückkopplungsregelung im Audion.) Sinkt durch
Alterung der Kathodenstrom, so sinkt auch der Anodenstrom bzw.
Schirmgitterstrom. Dadurch steigt die Spannung am Schirmgitter der
Pentode bzw.
die Anodenspannung der Triode.
Das nun höhere Spannungsfeld im Kathode-Steuergitter-Anode-Raum bei
Trioden bzw. im Kathoden-Steuergitter-Schirmgitter-Raum bei Pentoden bewirkt
ebenfalls eine höhere Saugkraft auf
die Kathode und wirkt somit dem fallenden Kathodenstrom entgegen. Diese Maßnahmen vermögen gewisse Verluste
der Kathoden-Emissionsleistung auszugleichen. Doch ab einer gewissen Grenze sind
die Röhren trotzdem unbrauchbar. (6)
ERGO: Mit
zunehmender Ug2- bzw. UaT-Spannung vermag die zunehmende
Feldstärke stärker Elektronen durch das
Steuergitter hindurch zu „greifen“ - daher der Begriff
"Durchgriff" – d.h.: das
Spannungsfeld Ua<>Ug1 bzw. Ug2<>Ug1
"greift" die Elektronen durch die Steuergitter-Maschen hindurch und
saugt so zunehmend Elektronen aus der Elektronenwolke zwischen Kathode und
Steuergitter ab und oft auch aus der porigen Kathode heraus - soweit die Feldstärken das zulassen. (3)
Bei Betriebsspannungen gemäß
den Datenblättern (speziell Ug2k bei Pentoden/Tetroden
bzw. Uak bei Trioden) wirken sich
Fertigungstoleranzen in der Emissionsleistung als auch derselben
alterungsbedingt also nicht so kraß aus. Hierdurch erfüllen viele
Röhren – oft trotz geringerer Anlaufströme bzw. höheren Alters - die
Normwerte laut Datenblatt. Daher sehen die heutigen Hersteller auch
keinen Anlaß ihre Fertigungstechnologien zu ändern. Das gilt nicht nur
für die EF95, sondern allgemein.
ERGO: Es können Unterschiede in der Steilheit
in ungleichen Emissionsleistungen der Kathoden (zu
geringer Anlaufstrom bedingt durch Fertigungstoleranzen) oder in der
Alterung gesucht werden (was ebenfalls eine Verringerung der
Emissionsleistungen bedeutet).
2.0. Röhren-Anwendungen in der
Kleinstspannung-Technik
Bei kleinen
Spannungen bis 12V ist hingegen die Emissionsleistung der Kathode (also
der
Kathoden-Anlaufstrom) sehr stark für die Funktionstüchtigkeit der
Schaltung ausschlaggebend. Denn die
geringen Feldstärken zwischen Anode
und Gitter bei Trioden (bzw. zwischen Schirmgitter und Steuergitter
bei Pentoden und Tetroden) im Kleinstspannung-Bereich vermögen nicht
tief in den Kathoden-Steuergitter-Raum zu „greifen“, und erst recht
nicht Elektronen aus der porigen Kathodenschicht zu „saugen“. Was bei
dieser Röhrennutzung an „Saugkraft“ fehlt, muß also der
Elektronen-Emissionsdruck der Kathoden bewerkstelligen.
ERGO: Wenn also bei Hochvoltröhren das
Kathodenmaterial nicht ausreichend aktiviert wurde bzw. nicht
leistungsfähig genug ist, dann sind diese für die
12/6Volt-Kleinstspannungs-Anwendungen praktisch nur bedingt bis
unbrauchbar.
2.1. Anlaufströme messen
Das Messen
dieses
Anlaufstroms ist recht einfach möglich; und ersetzt
oft ein teures Röhrenprüfgerät. Diese Messung kann
man sogar in jener Schaltung, in der später die Röhre arbeiten soll,
durchführen.
Dazu lötet man zuerst die Schaltung soweit
zusammen, daß die Röhrenfassung bereits mit der vorgesehenen
Stromquelle für die Heizung ordnungsgemäß
verbunden ist. Jetzt lötet man an der Röhrenfassung provisorisch einen
Draht an den Kathodenanschluß und verbindet nun mit einem zweiten Draht die
Anschlüsse für Gitter und Anode
(bei Pentoden zudätzlich Schirmgitter +
Bremsgitter mit der Anode). (Diese Röhre wird so zur Diode geschaltet.)
Nun verbindet man
die zwei Drähte mit ein
Multimeter, und stellt den Meßbereich auf 5mA oder
10mA oder einem anderen Meßbereich ein, auf dem
man Ströme von 0,5mA bis 6mA gut ablesen kann.
Das Meßgerät muß kein teures Gerät sein. Ein einfaches
Meßgrät z.B. der analoge
Multitester von REV-Ritter (von Westfalia) oder das Analog-Multimeter EM330
(von Pollin) reichen völlig aus. Es lassen
sich auch Digital-Multimeter verwenden. Bei diesen lassen sich aber der Anstieg
der Anlaufströme nicht so gut
mitverfolgen. (Der
Mensch ist nun mal in seiner Wahrnehmung „analog“ konstruiert.)
Nun steckt
man die zu
prüfende Röhren in die Fassung
und schaltet die Heizung ein. Es dauert je nach Röhrentyp
etwa ½ bis 5 Minuten, bis die Kathode durchgewärmt ist. Während dieser
Zeit
sieht man bereits den Anlaufstrom langsam ansteigen. Bei voll
durchgewärmter Kathode steigt der Strom dann nicht mehr weiter.
Will man Röhren eines anderen Typs testen, so muß man die Anschlüsse
entsprechend der
Sockelbelegung der betreffenden Röhre vorher umlöten. (Das gilt auch
für Röhren mit mehreren Systemen in einen Kolben z.B. ECC, ECF,
ECL, EABC usw.. Man kann aber auch ein jedes System wie oben
beschrieben
getrennt verdrahten und jedes System separat mit einem passenden
Meßgerät verbinden. So lassen
sich Verbundröhren in einem Vorgang
komplett testen. Das vereinfacht die Überprüfung von Verbundröhren
erheblich).
Arbeitet
diese
provisorische Schaltung ordnungsgemäß, so lassen sich
problemlos weitere Röhren des selben Typs
durch einfaches Austauschen auf der Steckfassung reihenweise testen.
Man
braucht dazu nichts anzuschalten. Man zieht einfach die bereits
getestete Röhre aus der Fassung und steckt die nächste hinein. Ist die
provisorische Schaltung stabil,
sauber und fehlerfrei aufgebaut und werden die Röhrentypen
nicht gewechselt (bzw. nicht verwechselt), dann kann man praktisch beim
Prüfen keine der Röhren zerstören.
2.2. Hohe Anlaufströme sind der Schlüssel zur Problemlösung
Ist der Kathoden-Anlaufstrom also gering, so
vermag die Anoden-/Ug2-Spannung von 12V oder gar 6V aus dem
Kathoden-Steuergitter-Raum auch nur wenige Elektronen zu saugen, was diese Röhre letztlich für den
Kleinstspannungs-Einsatz nur sehr eingeschränkt oder gar
unbrauchbar machen kann. (9)
Für Kleinstspannungsanwendungen bedeutet das: je höher der
Anlaufstrom, um so besser.
Besitzt
eine Röhre einen hohen Anlaufstrom, dann vermag dieser nicht nur
das Steuergitter negativ aufzuladen sondern auch über
deren Gitterableitwiderstand einen Gitterstrom und somit eine negative
Gittervorspannung zu erzeugen. Der Anlaufstrom ist bei neuen
Spanngitterröhren oft so energiereich, daß sogar Elektronen durch die
Steuergittermaschen hindurch
zu den anderen Elektroden gelangen können (das
Steuergitter ist dabei mit der Kathode verbunden). Zum Messen müssen
daher alle Elektroden, welche in Richtung der
Kathode vor der zu prüfenden Elektrode
liegen, mit der Kathode kurzgeschlossen sein. Die Anlaufströme können
bei Spanngitterröhren so kräftig sein, daß eine Oszillatorschaltung
oder Audion-Schaltung mit
Pentode bei eingeschalteter Heizung sogar ohne sonstige
Betriebsspannung
auskommt. (9); (10)
Wie stark
der
Elektronen-Emissionsdruck der jeweiligen Kathoden der einzelnen Röhren
ist, läßt sich wie folgt in
einfacher Form abschätzen: Man mißt bei konstanter Heizspannung
gleichzeitig die Anteile
der Anlaufströme 1. über das Steuergitter sowie 2. über die Anode (bzw.
Pentoden und Tetroden in
Triodenschaltung). Hierbei spielen sicherlich auch die Abstände
der Elektroden im jeweiligen Röhrentyp eine Rolle. Es zeigt sich so,
wie hoch diese Ströme bei 0Volt sind. Und somit läßt sich auch
abschätzen, mit welchen
Anodenströme man bei kleinen Anodenspannungen
sowie Ug2 + Uap rechnen kann.
Bei den
Auto-Röhren sind die Elektronen-Emissionsdrücke besonders hoch. In der
oben beschrieben Diodenschaltung mit Ua=0V konnte man bei allen NOS
EF97/98, ECC86, EBF83 usw. je System (außer den kleinen Dioden)
Anlaufströme von 4mA bis über 5mA messen! Das sind mehr als das
Doppelte gegenüber den NOS EF80-Röhren.
Die Spanngitterröhren EF183, EF184, ECC88; EC88, usw. zeigten hier ein
etwa gleiches Verhalten wie die Auto-Röhren. Das dürfte für Bastler der
Kleinstspannungstechnik von besonderem Interesse sein, weil die
Fertigungstoleranzen der NOS EF183/184, ECC89, PCC189 vergleichsweise klein und
diese reichlich und preiswerter als die EF80 angeboten werden (z.B. Pollin u.
Conrad). Teilweise sind die EF183/184 sogar weit preisgünstiger als die EF97/98.
Bei den Hochvoltröhren z.B. NOS EF80, EF85, EF89, PCF80, ECC83, ECC82,
ECC85 usw. konnte ich (mit wenigen Ausnahmen) hingegen je System nur Anlaufströme um die 0,5 - 2mA messen! Bei 12V brachten sie
vergleichsweise nur sehr mäßige bis miese Ergebnisse.
ERGO: Röhren mit kleinem Anlaufstrom
zeigen also bei kleinen Betriebsspannungen auch nur kleine Anoden- und
Kathodenströme. Selbst bei
noch guten Steilheitswerten, lassen sich diese Werte wegen geringem Ia
bzw. Ik nicht wirkliche nutzen.
2.3. Große Röhren bei kleinen Spannungen
Bei
Leistungsröhren wie EL34/36, EL81 usw. liegen die Probleme wegen
deren große Kathodenoberflächen etwas „besser“. Das zeigt sich
insbesondere bei der P/EL500 und deren
Nachfolger P/EL502 bis EL509 mit ihren vergleichsweise riesigen
Kathoden. Für Betriebspannungen von 30V bis 80V mögen letztere daher
sinnvoll sein; doch für 12V-Anwendungen lohnen sie sich m.E. schon
wegen der
großen Heizleistung und den dafür nötigen zusätzlichen Aufwand kaum.
Und selbst im 40-80V-Bereich
bringen Röhren wie die ECL 80/81/82/84/86, EL91,
EL95 usw. bei weit geringerer Heizleistung für Empfänger mit
Lautsprecher ausreichend gute Leistungswerte.
Nur wer mehr Lautstärke haben möchte, der sollte zu den „großen“ Röhren
greifen.
3.1. Betriebsspannungen:
6-12V versus 30 - 60V
Meiner Meinung nach
sollte man die Kleinstspannungstechnik von 0V bis 20V nicht überbetonen. Für Spannungen (Schutzkleinspannung) von 24V bis 60V
besteht m.E. i.d.R. keine wesentlich größeren Gefahren.(4)
Mit höherer Spannung als 12V ließen sich auch gebrauchte Röhren
noch besser nutzen. Dies meine ich in Hinsicht auf die Röhren der P- und U-Serie, welche sich mittels eines
24V-Trafo beheizen lassen. Die Betriebsspannung von 32V= ließe sich dann durch Gleichrichtung aus den 24V~ gewinnen.
Fachlich erfahrene
Personen können aus den 24V~ mittels
Spannungsvervielfacher 60V= bis über 80V=
bereitstellen. Es lassen sich so bereits leistungsfähige Röhrenempfänger bauen. Denn ab etwa 60V bis 200V zeigen viele
Hochvoltröhren erst richtig was in ihnen steckt.
Bereits mit einer Erhöhung der 12V
Betriebsspannung auf 30V spürt man sehr deutlich
eine enorme Leistungssteigerung. Insbesondere bei Audion-Schaltungen.
Auch sind hohe
Spannungen mit Strömen von 1-2mA wenig
gefährlich. Sie sollten allerdings nur mittels
kleiner Kondensatoren bis maximal 10nF - 100nF bereit gestellt werden. Wie bei
Weidezaun-Anlagen sind elektrische Schläge dann mehr ein
Schreck, denn eine Gefahr.
3.2.
Beispiel-Röhrenkombinationen
für
Projekte mit 24V~ Heizung
Ich denke z.B. an
folgende und ähnliche
Kombinationen. Dabei habe ich in den folgenden Beispielen die Röhren nach Heizungsgruppen nicht aber nach
Funktionsgruppen zusammen gestellt. Möchte man einen Röhrentyp gegen andere Typen austauschen, so sind
gegebenenfalls die Gruppen strom- und spannungsmäßig
passend neu zusammen zu stellen. (PS: Adressen für
geeignete Netztrafos hänge ich unten an.)
Die Heizungsgruppen
sind dabei so zu ordnen, daß die Summen der
Heizspannungen mehrere Volt unterhalb der 24V Versorgungsspannungen bleiben, um
eine Kompensation der Differenz mittels Widerstände
bzw. Heizungs-Anlauf-Schaltung zu ermöglichen. Das schont
die Röhrenheizer!!!
Es lassen
sich in den
300mA-Reihenheizung auch Mischungen mit passenden E-Röhren zusammen
stellen. Und wo eine Lücke für eine benötigte Röhre auftritt, kann
diese auch mittels Röhren der U-Serie
schließen – z.B. UBF80 (Uh=
19V); UCH81
(Uh=
19V); UF80 (Uh= 19V); UF85 (Uh=
19V); UM80 (Uh= 18V) usw. usf.
Es ist auch sinnvoll,
die speziellen Röhren ECC81 bis ECC83
mit ihren Mittelanzapfungen der Heizung nur in 150mA-Reihenschaltung zu nutzen – z.B. In Reihe mit einer EC90/92. Denn in der
300mA-Reihenschaltung hätte der Ausfall einer
Fadenhälfte sofort auch den Tod der anderen
Fadenhälfte zur Folge. So aber läßt sich bei Heizfadenschaden das noch intakte Röhrensystem weiterhin nutzen.
Unter den
Röhren der E-Serie wären auch 200mA-Reihenschaltungen
denkbar – z.B. EL91/95 mit EF83/86/89 und EC86
sowie z.B auch die EC95/900 mit einem Parallel-Widerstand von 315Ω /
0,5W. Auch andere Röhren ließen sich auf diese Weise nutzen.
Dieses
24V-System für
die Röhrenheizung
ist also in der Röhrenauswahl
enorm flexibel. Hier einige Beispiel:
-
1xPFL200 (Uh=17V);
-
1xPFL200 + PC86/88/92/96/97/900(Σ Uh ca.
21V);
-
1xPCL81 + 1xEF184/183 (ΣUh =
19V);
-
1xPCL86 + 1xEF184/183 (ΣUh =
20V);
-
(1xPCL82 + 1xPM84) + 2xPCC85 (ΣUh =20V||18V);
-
1xPCL85 + (2xPCC84 + 1xPC86/88/92/96/900 (ΣUh =18V||ca.
18V);
-
1xPCL81 + 1xPCF80/86/801/803 (ΣUh =
20V );
-
2xPCL85 + 1xUF80 +1xUF85 (ΣUh =
||18V ||18V ||19V ||19V );
-
1xPL508 + (1xPL508 + PM84) + (2xEF183 + 1xPCC84/88) + (2xEF85 + 1xEBF89) (ΣUh =17V||21V||20||19V)
- 2xPCL85 + (1xEF183
+ 1xECH81 + 1xEF85) + (1xPCF82 + 1xEF85 + 1xPC92) + (1xEBF80/83/89 + 1xPABC80+
1xPCC88) (ΣUh =18V||18V||
19V||19V||20V)
usw. usf.
Mit diesem Ansatz
lassen sich viele preiswerte Projekte mit echtem Gebrauchswert realisieren; vom
0V1 bis zum MW-/KW-Doppelsuper, weil man sich unter den vielen Möglichkeiten preiswerte Röhren
zum Projekt aussuchen und zusammenstellen kann. Auch sind die Steilheit als
auch Rauschwerte von Hochvoltröhren im Bereich von
30V – 60V deutlich besser als in der
12V-/6V-Technik. (2)
Die
Differenzen von ΣUh zu
24V bis 26V sind – wie oben beschrieben
- durch Widerstände auszugleichen,
was die Röhrenheizungen schont. Eine
Heizungs-Anlauf-Schaltung mittels zeitverzögertem Relais wäre diesbezüglich sogar noch
besser. Selbst einen Stielbruch bräuchte man da nicht
begehen, wenn man passende Selengleichrichter dazu bekommen kann (z.B bei
Oppermann).
Im
Rahmen der Schutzkleinspannung wären auch Systeme mit
Netztrafos mit einer Sekundärspannung von 42V~
bis 48V~ denkbar. Dann ließen sich auch größere Röhren – wie die PL500/504/509/519 sowie die PL36/38/300 sowie
einige Röhren der U-Serie (z.B.: UCC85; UCL81;
UCL83; UY85 usw.) in dieses 40V-System einfügen
Hinweise
und Literatur:
(1) Raschkowitsch, Alexander: Elektrische
Bauelemente der Nachrichtentechnik; Vieweg; 1970; Kapitel 2.1. Emission der
Kathode und Anodenstrom
(2) Rogers-Electronic-Tube-Datenblatt 6ES6/EF97
für Ua=25V bzw. Ua=6,3V/Ug2=1,6V
(3) Und wenn die Kapazität Ca-g bzw. Cg2-g1
größer bzw.
Ckg1 kleiner wird, hat das Schirmgitter bzw. die Trioden-Anode eine
wirksamere Angriffsfläche auf
das Steuergitter, und somit einen größeren „Durchgriff“.
(4)
Bereits
als Jugendlicher bastelte und reparierte ich mit 14 Jahren
(8-Klassenschüler) schon im Hochvoltbereich;
und lebe immer noch. Es ist auch – soweit mir bekannt ist - in meinem
Umkreis keiner meiner Mitschüler; -lehrlinge bzw. spätere Kollegen
durch Spannungen
bis 400V direkt oder indirekt weder erkrankt noch gestorben.
Andererseits: Wer
also mit Elektrizität
umgeht, sollte immer die nötige
Vorsicht walten lassen. Denn auch 12V-Akkumulatoren sind nicht ganz
ungefährlich.
(5) http://www.jogis-roehrenbude.de/Regenerierer.htm -
http://dl6lim.darc.de/tube_reg.html -
http://www.dampfradioforum.de/viewtopic.php?f=34&t=12271
(6)
Siehe Zusammenhang von Ia und S
im Datenblatt von RFT-WF von der E/UF80 (dort in der Ia=f(ug1)
versteckt) Adresse: http://www.shinjo.info/frank/sheets/084/e/EF80.pdf.
Noch
klarer ist das in den Tabellen jener Röhren zu erkennen, welche für
verschiedene Betriebsspannungsbereiche entwickelt wurden – z.B. DL94,
DL98, EF98.
(7) Hg: Akademischer Verein Hütte e.V. in Berlin: Hütte des Ingenieurs
Taschenbuch; Wilhelm Ernst & Sohn; München 1962 – S.427ff
(8) Schröder, Heinrich:
Elektrische Nachrichtentechnik; Radio-Foto-Kino; Berlin Borsigwalde; Band 2
(9) Kainka, Burkhard: Röhren-Projekte von 6 bis 60V; elektor; Aachen; 2016;
(10) Anodenspannung Null
- http://www.b-kainka.de/bastel87.htm Nachtrag: Null-Volt-Audion mit der
EF184
Niedervoltröhren am Kennlinienschreiber von Roger Leifert
Unser
E-Technik Praktikant hat meinen Röhren-Kennlinienschreiber uTracer
aktiviert und die zunächst nach Anlauf-Strom sortierten 6J1 untersucht.
http://www.dos4ever.com/uTracer3/uTracer3_pag0.html#
Ergebnis:
Steilheit
und maximaler Anodenstrom bei 0V-Gitterspannung korrespondieren
tatsächlich mit der Höhe des Anlaufstroms. Wobei wir die Röhren fast
mit dem Kennlinienschreiber schneller sortiert haben als mit der
Anlaufstrommessung.
Video: Tube Selection – The „Starting-Current“-Method: https://youtu.be/XEvD8OEBGXQ
Die
beiliegenden Bilder geben im Namen die Höhe des Anlaufstroms wieder.
Die Grafik zeigt den Anodenstrom in Abhängigkeit von der Gitterspannung
einmal für 12V und einmal für 48V. Die gestrichelten Kurven sind die
Steilheit (Skala = rechte Y-Achse). 2 Röhren, die heute als
Reklamation zurückkamen, waren tatsächlich “taub”.
6j1-018uA
6j1-034uA
6j1-053uA
6j1-074uA
6j1-110uA
6j1-138uA
6j1-274uA
6j1-500uA
Kommentar von Uwe Faulenbach:
In
den Grafiken sind die Produktions-Fertigungs-Toleranzen sehr deutlich
sichtbar - insbesondere die Toleranzen bei der Aktivierung der
Bariumbeschichtung der Kathode.
Und was hier auch deutlich wird,
ist der von mir beschriebene Zusammenhang, dass bei hohen
Anodenspannungen der Anlaufstrom vergleichsweise wenig Einfluss auf den
Verlauf der Kennlinie der Steilheit hat. Daher vermute ich nicht
grundlos solches schon bei Spannungen über 20V - und das zeigt sich
bereits sehr deutlich in Ihren Kennlinien von Ua=48V.
Dieser von
mir beschriebe Zusammenhang wird sicherlich bei Vergleichens-Messungen
von Ua=12V und noch höheren Anodenspannungen (Werte gemäß
Röhren-Datenblatt) wohl noch deutlicher werden. Anders dürfte es
aussehen, wenn die Barium-Reserven bei alten Röhren bereits erschöpft
sind.
Das ist auch der Grund, warum die alten Röhrenprüfgeräte
für die Auswahl von Röhren für Anwendungen im Kleinstspannungs-Bereich
wenig sinnvoll sind. Eine Anlaufstrommessung ist daher eine einfache,
sichere und schnelle Methode zum Aussortieren.
Was mich aber
stutzig macht, das ist der Anstieg von dIa/dV im Abschnitt von -1,5V
bis zu -2V in den Kennlinen bei Ua=12V. Das scheint mir unlogisch zu
sein, weil dieses Verhalten in der Kennlinie bei Ua=48V nicht vorkommt.
Kommentar Burkhard Kainka
Der
Anstieg der gestrichelten schwarzen Linie (Steilheit bei Ua = 12 V) am
linken Rand hat mich auch gewundert. Aber jetzt ist es mir aufgefallen:
Da ist ja der Anodenstrom bereits Null, sodass es auch keine Steilheit
mehr geben kann. Allerdings macht sich der kleinste Offsetfehler
dann bereits stark bemerkbar, was dann rein rechnerisch zu einer
höheren Steilheit führen kann. Man muss sich also die Steilheit am
linken Rand als Null denken.