Der Russen-Liliput - Ein MW-Audion mit 3 * 12SH1L      

von Jürgen Heisig                  
 
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Bei einem Streifzug durch das Internet, immer auf der Suche nach nicht zu komplexen Röhrenschaltungen, fiel mir die Schaltung eines "Grundig-Liliput" auf. Laut Schaltplan handelt es sich um eine Schaltung von 1947. Das Gerät arbeitet mit 3 * RV12P2000 - das brachte mich sofort auf die Idee, das Gerät mit den russischen Nachfolgern/Kopien 12SH1L nachzubauen. Zunächst galt es also, die Originalschaltung zu analysieren.

Die Originalschaltung von Grundig

Der Aufbau gliedert sich grob in die Blöcke:
- Heizstromversorgung (Allstrom)
- Anodenspannungsversorgung (Allstrom)
- Breitbandige HF-Vorstufe
- Rückgekoppeltes Audion
- NF-Verstärker mit Lautsprecherausgang

Also letztlich ein 1V1 ...

Mein Plan war, möglichst bei der Originalschaltung zu bleiben - allerdings blieben schließlich doch einige Änderungen nicht aus. So wurde z.B. der Vorwiderstand im Heizstromkreis durch einen Vorkondensator ersetzt (Gleichstromnetze wird man heute kaum noch antreffen). Immerhin wären ansonsten fast 15 Watt in Wärme umzusetzen gewesen.... Errechnet wurde für einen Heizstrom von 75mA und 37,8 Volt (3*12,6V) ein Vorkondensator von 1,052uF. Durch Parallelschaltung von ausgesuchten 5 * 0,22uf/1000Volt konnte ich einen Wert von 1,051uF erreichen. Die im praktischen Betrieb gemessenen Spannungen/Ströme liegen sehr gut in der Toleranz. Der Selengleichrichter wurde durch eine Reihenschaltung Si-Diode/120Ohm-Widerstand ersetzt - hier ist minimal ein 1000V-Typ erforderlich, also z.B. eine 1N4007. In der Originalschaltung liegt die Siebdrossel vor dem Ladekondensator - das ist unüblich und wurde geändert.

Im Original ist die Rückkopplungsregelung durch eine Schwenkspule realisiert, das war mir mechanisch zu aufwändig. Daher wurde die Schaltung so geändert, dass die Rückkopplung über das G2 des Audions eingestellt werden kann. Auf den Sperrkreis in der Antennenleitung wurde verzichtet, dazu später noch mehr ... Das Gerät erhält bewusst keinen Netzschalter, es soll bei Nichtbenutzung immer vom Netz getrennt werden! Zusätzlich wird durch eine Glimmlampe angezeigt, wenn Netzspannung auf dem Chassis liegt - also: Wenn die Glimmlampe leuchtet: Stecker drehen!! Nun noch die Bauteilwerte auf heutige Werte umsetzen und schon konnte es losgehen:

Die angepasste Schaltung

Achtung, nur für erfahrene Leute!
Hier handelt es sich um ein "Alltromgerät" mit der Netzleitung direkt am Chassis! Beim ersten Einschalten bitte äußerste Vorsicht! Die Glimmlampe zeigt an, wenn Phase am Chassis liegt. Wenn sie leuchtet, muss der Stecker umgepolt werden. Aber auch dann ist die Sicherheit noch nicht mit heutigen Standards vergleichbar. Mehr Sicherheit bietet ein zusätzlicher Trenntrafo.

In dieser Form wurde das Gerät nun auf die untere Hälfte eines Schalengehäuses aus Aluminium aufgebaut, welches gerade zur Verfügung stand. Loktalfassungen sind kaum zu bekommen und dann sehr teuer, also wurden für die Röhren aus je einer Oktal- und einer Magnovalfassung eine passende Fassung gefertigt(die Kontakte der Magnovalfassung kommen in die Aussparungen der Oktalfassungen...

Die Kontakte müssen dann noch mit einem kleinen Uhrmacherschraubendreher etwas aufgedehnt werden, da die Stifte der 12SH1L nur andeutungsweise angespitzt sind und die Röhren sich so nur sehr schwer einsetzen lassen.

Die Audionspule wurde auf ein Papprohr (von leerer Haushaltsrolle) gewickelt, die Rückkopplungsspule ist darin verschiebbar angeordnet (etwas dünneres Papprohr von eine Toilettenpapier-Rolle ;-) ). Der Wert der Audionspule wurde auf 300uH gebracht, wodurch sich mit dem verfügbaren Drehkondensator (15...320pF) ein Bereich von etwa 520...2300KHz (theoretisch) ergibt. Ganz wird dieser Bereich nicht erreicht, weil Streukapazitäten/- Induktivitäten auch noch eine Rolle spielen, aber jedenfalls wird der MW-Bereich voll abgedeckt und auch das 160m-Amateurband kann empfangen werden.

Tja - so sieht das dann aus ...

Und dann kam der große Moment des ersten Einschaltens. Nach der röhrenüblichen Anheizzeit war bereits ein Rückkopplungspfeifen - allerdings etwas verbrummt zu hören - klar, die Rückkopplungsspule muss erst noch justiert werden! Hier kam es mir sehr gelegen, dass Grundig in der Originalschaltung Spannungswerte angegeben hat. Beim Audion ist es ja zunächst wichtig, den richtigen Arbeitspunkt für Geradeausempfang (also ohne Rückkopplung) einzustellen. Nun, dieser ist in der Grundigschaltung ja vorgegeben: 30V an Anode und G2 des Audions. Man braucht also nur den Rückkopplungsregler so einstellen, dass sich die genannten Spannungen ergeben und hat schon den richtigen Arbeitspunkt. Nun wird die Rückkopplungsspule so verschoben, dass so gerade eine Anziehen der Rückkopplung erkennbar ist (oder kurz davor) und dann fixiert. Dadurch kann man nun sehr fein die Rückkopplung regeln - und zwar immer um den optimalen Arbeitspunkt herum. Nur so wird man am Klang eines Audions mit G2-Regelung Freude haben ....

Und nun noch ein paar Ansichten des fertigen Chassis:

Als relativ schwierig erwies sich die Suche nach der Ursache des Brummens. Hörbar war, dass es sich nicht um Restbrumm der Anodenspannung, sondern um Heizungsbrummen handelte. Zunächst konnte festgestellt werden, dass der Brumm weniger wird, wenn man die Abschirmung der Audion-Röhre zusätzlich auf Masse legt (die schwarze Schraube auf den Röhren ist dazu ideal). Auch die Verringerung des Gitterwiderstandes auf 1Mohm sowie die Abschirmung der Gitterkombination (nun 1MOhm||150pF) brachte eine geringe Verbesserung. Die eigentliche Ursache aber war eine ganz andere: In Röhrengeräten mit Wechselstromheizung findet man meist "Entbrummungsmaßnahmen", teils wird eine Mittelanzapfung des Heiztrafos an Masse gelegt, oder es wird ein "Entbrummer" (Drahtpoti, ca. 200..300Ohm) parallel zu den Röhren geschaltet, Schleifer an Masse. Solche Maßnahmen sind hier bei Reihenschaltung und Vorkondensator nicht ohne weiteres möglich. Rein theoretisch könnte man einen Entbrummer parallel zur Audion-Heizung anbringen, müsste dann aber auch die anderen Röhren mit Parallelwiderständen versehen und den Vorkondensator neu berechnen - viel Aufwand also. Als gangbare Lösung fand sich schließlich eine einfache Maßnahme: der Masseanschluss des Heizkreises muss am Stift 8 der Audionröhre liegen und schon ist kaum noch ein Brumm zu hören (kaum, weil der optimale Massepunkt sicher die Heizfadenmitte wäre, die steht hier aber nicht zur Verfügung. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es in der Originalschaltung auch so ist, dass der Heizkreis bei Röhre 2 (=Audion) beginnt ....

Nach diesen Einstellungen/Änderungen läuft das Radio wirklich hervorragend, es ist ein vollwertiges MW-Radio! Die Lautstärke ist meist sogar schon zu hoch, so dass man die HF zurückregeln muss - was wiederum dem Klang zugute kommt ;-)

Eigentlich sollte mein Bericht hier nun enden, aber da war doch noch was!? Richtig, der Sperrkreis ... Solche Sperrkreise waren früher sehr verbreitet. Damit wurde der stärkste Sender ("Ortssender") unterdrückt bzw. abgeschwächt, da dieser sich andernfalls im gesamten Abstimmbereich bemerkbar machen würde. Besser wäre natürlich eine schmalbandigere Vorselektion.... Nun - mein Drehko hat 2 identische Plattenpakete, warum also nicht eine mitlaufende Vorselektion realisieren? Zu diesem Zweck wird eine weitere MW-Spule benötig, die den selben Wert haben muss, wie die Audionspule - allerdings muss sie einstellbar sein, zwecks Abgleich des Gleichlaufs. Bei mir fiel die Wahl auf einen etwas größeren Spulenkörper mit Ferritkern unbekannter Herkunft - vermutlich aus einem alten Fernsehgerät. Er wurde bewickelt, bis sich bei eingedrehtem Kern eine Induktivität von ca. 400uH ergab. Mit dem Kern konnte jetzt zwischen 100uH und 400uH eingestellt werden, das sollte in jedem Fall reichen. Um es kurz zu machen: der Versuch war ein Reinfall - die Abstimmung der Spule beeinflusste die Rückkopplung, das ganze wurde sehr instabil und schlecht abzustimmen. Also bleibt alles so wie es ist - und ich bin mehr als zufrieden und den Sperrkreis habe ich noch nicht vermisst, ich habe ja den HF-Regler .....

Die Wahl der Papprohre als Spulenträger hat sich als negativ erwiesen. Das Radio wurde damit "wetterfühlig", d.h. bei feuchtem Wetter funktionierte es nicht so gut wie bei trockenem. Offenbar "zieht" die Pappe Wasser. Mittlerweile wurde die Spule auf einem Kunststoffrohr neu gewickelt... Noch etwas zur Audionspule: Windungszahlen anzugeben, macht wohl wenig Sinn. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sowieso nie der richtige Spulenkörper oder Drahtstärke greifbar sind ;-). Als Anhaltspunkte: die Audionspule muss für MW bei einem Drehko mit 320pF Endkapazität etwa 300uH Induktivität haben. Die Ankoppelspule von der Vorstufe hat etwa 2/3 der Windungszahlen der Audionspule und die Rückkopplungsspule etwa 1/10 bis 1/8 der Audionspule.....

Die Schwungmasse erleichtert die Abstimmung. Gitterkombination und Gitteranschluss des Audions sind vollständig mit Weißblech abgeschirmt.



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