Orgelbausatz Philips EB1102                


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Ganz überraschend und völlig unerwartet kam dieser schöne Bausatz angeflogen. Von einem Fan aus Schwaben, stand im beiliegenden Brief. Ich sage Danke! Der Bausatz ist fast 50 Jahre alt und stammt von 1974. Alles ist noch vollständig wie am ersten Tag.




Der Bausatz kommt mit einem großen Lautsprecher und einem ansprechenden Gehäuse.




Alles was man braucht, sogar Lötzinn ist mit dabei!




Und es gibt ein umfangreiches Handbuch.




Die Ingenieure von Philips waren immer schon an der Spitze analoger Schaltungstechnik. Ich jedenfalls habe diese Schaltung nicht auf Anhieb verstanden. Ein Multivibrator ist es definitiv nicht. Vielleicht eher irgendwas mit Phasenverschiebung? Aber das mit einer Darlingtonstufe als Emitterfolger und mit einer Spannungsverstärkung unter eins? Und dann noch variabel über eine Oktave? Ich hätte nicht gewusst, wie das gehen soll. Also erstmal aufbauen...




Die Kondensatoren habe ich vor dem Einbau überprüft, insbesondere auch den Elko. Alles perfekt und gut einzubauen.



Die großen Lötpunkte brauchen viel Lötzinn. Dazu passend war der dickere Lötdraht. Und damals vor fast 50 Jahren waren auch die Lötkolben größer.



Der erste Test mit meinen Labornetzteil war auf Anhieb erfolgreich. Mit dem Trimmer kann man den Tonbereich geringfügig verschieben, bis der Tonumfang gerade eine Oktave umfasst. Das Ergebnis ist ungefähr eine Dur-Tonleiter. Aber eben nur ungefähr. Ein Orgelbauer wäre nicht zufrieden. Das kann auch gar nicht anders sein, denn die Festwiderstände können die richtigen Abstände nur so ungefähr abbilden. Mit dem Poti kann man die Lautstärke und auch den Klang verändern. Entsprechend dem Aufbauplan, aber abweichend vom Schaltplan, liegt der Emitter von T2 am Schleifer des Potis. Deshalb kann man die Schwingungen dämpfen. Deutlich erkennbar ist, dass gerade einsetzende Schwingungen reine Töne, also Sinussignale sind.



Das Oszilloskop bestätigt die Signalform. Wenn man allerdings lauter dreht, setzen Übersteuerungen ein.



Um das ganze doch noch zu verstehen, habe ich den eigentlichen Oszillator mit LTspice simuliert. Auch hier hat die Schaltung auf Anhieb funktioniert. Und jetzt wird es auch klar: Ein Wien-Brücken-Oszillator! (Dachte ich. Aber dann kamen noch ganz andere Schaltungen in die engere Wahl.) Dass man mit einer solchen Dimensionierung die fehlende Spannungsverstärkung ausgleichen kann, sehe ich allerdings hier zum ersten Mal. Man lernt eben niemals aus.



Für die Orgel waren zwei Flachbatterien mit zusammen 9 V vorgesehen, die es ja kaum noch gibt. Das Gerät braucht ca. 40 mA, ein 9-V-Block würde nicht lange halten. Deshalb habe ich einen Li-Akku mit 7,4 V eingebaut, der aus einem defekten Gerät stammt.



Fazit: Ein spannendes Projekt und ein interessanter Blick in die Anfangszeit der Si-Transistortechnik.


Überlegungen zur Schaltung von Peter Gerber,HB9BNI

Je länger ich über diese Schaltung nachdenke, desto weniger verstehe ich sie. Als ich Ihre für LTSpice umgezeichnete Schaltung gesehen habe, hat meine Mustererkennungssoftware im Gehirn sofort das Wien-Muster vermisst, aber das Twin-T-Muster erkannt; ich hatte mich ja mit beiden Netzwerken einige Zeit eingehend beschäftigt

 

 

Rot = TWIN-T !!!!

 

Ich erinnere mich, das dauerte keine 2 Sekunden. Über den genauen Verlauf des Rückkoppelungsweges habe ich mir keine Gedanken gemacht, ich „wusste“: Twin-T heisst, wenn ein Oszillator daraus werden soll, 180 Grad Phasendrehung des Netzwerkes und damit auch des Verstärkers (1), die beiden „senkrechten“ Elemente an Masse, genügend Spannungsverstärkung und Einleitung des verstärkten Signals an einem Ende der Längselemente sowie Ausleitung am anderen Ende der Horizontalelemente. (Wenn Twin-T als Notchfilter, dann natürlich möglichst genaue Einhaltung der C vs 2C und R vs R/2 Bedingung und keine definierte Phasendrehung, weil Amplitude = 0 im „Resonanzpunkt“). Dass alle diese Voraussetzungen für einen Twin-T-Oszillator nicht gegeben sind, merkte ich nicht, der Erfinder der Schaltung hatte das ja sicher richtig gemacht, sonst hätte Philips den Bausatz ja nie verkaufen können. (Früher sagte man zwar: „Aussen fix und innen Philips“)

 

Wie stark die humane Mustererkennung ist, ist leicht demonstrierbar. Wenn Sie das folgende Problem noch nie gesehen haben, werden Sie aller Wahrscheinlichkeit auch nicht sofort sagen können, wie gross der Widerstand zwischen A und B in der folgenden Schaltung ist, weil Ihre Mustererkennung trickreich auf eine falsche Fährte gelockt wird.

 

 

(Ein Maturand (bei Ihnen „Abiturient“), den ich bei seiner Maturaarbeit begleite, konnte das obige Problem nicht lösen. Auch nicht nach meinem Rat, alle Drähte die zu A bzw B führen mit verschiedenen Farben einzufärben und die Farbe auch am jeweiligen Ende des Widerstandes aufzumalen.)

 

Ich habe versucht, die ursprüngliche Schaltung der Orgel auf das Wesentliche (bezüglich Signal) zu reduzieren:

 

 

Ein nicht invertierender Verstärker mit Spannungsverstärkung 0.95, der zwei parallel geschaltete serielle RC Längskombinationen, deren Mitte jeweils mit einem R  bzw einem C an Masse (für das Signal) liegen. In der Originalschaltung ist für den Weg zur Masse ein Elko vorgesehen, Impedanz bei 700 Hz 48 Ohm. Die beiden Signale werden addiert und dem Verstärkereingang zugeführt. Da die Frequenz in beiden Zweigen natürlich gleich ist, die Phasen aber wahrscheinlich verschieden und der Eingangswiderstand des Transistors sehr hoch ist, kann sich am Ausgang eine höhere Spannung als am Eingang ergeben. Dafür müsste die eine serielle RC-Kombination die Phase etwas vorschieben, der andere die Phase nacheilen lassen und die Amplituden so gross sein, dass sich die Signale zu einem Sinus mit der Phase 0 (im Verhältnis zum Ausgang des Verstärkers) addieren.

 

In der 1.5 V Version fehlt dieser Elko und die Mitten der beiden Phasenschieber werden an die positive Spannungsversorgung gelegt, die aber durch die Batterie (ich nehme an, Sie haben der Batterie keinen hohen Innenwiderstand verpasst) für das Signal an der eigezeichneten Masse liegt. Allerdings ist das ja eigentlich eine Kollektorschaltung, bei der sowieso der Kollektor und damit hier die +-Versorgung die Bezugsmasse für das Signal darstellt. Der Widerstand R3 sorgt dabei gleichzeitig dafür, dass der Transistor etwas Ruhe-Basisstrom bekommt.

 

 



Siehe auch: Der Eintransistor-Sinusoszillator





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