Oszillator nach der Phasendifferenzmethode       

von Peter Gerber, HB9BNI                   
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Im August 2020 hat Herr Dick im Labortagebuch einen für mich ungewohnten NF-Oszillator vorgestellt, den er als Oszillator nach der Phasen-Differenzmethode  bezeichnet hat.  Zunächst habe ich mir nicht vorstellen können, wie der funktioniert. Also habe ich ihn nachgebaut und, nachdem ich auch die Rückkoppelungsleitung eingebaut hatte, lief das Ding tatsächlich. Allerdings wusste ich immer noch nicht, weshalb.

 

Für die Analyse habe ich den Oszillator in LTSpice nachgebaut, verwendet wurden sowohl beim Nachbau wie auch in der Simmulation 2 BC547B.

 



Nach einigen Messungen war für mich die Sache klar. Hier Oszillogramme am ersten Phasenschieber.





Die drei Signale wurden an den mit Pfeilen farbig markierten Stellen abgenommen.

Die erste RC-Serienschaltung funktioniert als Hochpass. Angesteuert wird sie von der Spannung am Kollektor (die gegenüber der Spannung an der Basis um 180 Grad verschoben ist, grüne Kurve) und der Spannung am Emitter (die die gleiche Phasenlage hat wie die Wechselspannung an der Basis, blaue Kurve). Das führt dazu, dass die Wechselspannung am Eingang der RC-Kombination fast doppelt so groß ist, wie sie wäre, wenn die RC-Kombination gegen Masse geschaltet wäre. Die Spannung am Ausgang der RC-Kombination (rote Kurve) ist gegenüber der Spannung am Kollektor „vorlaufend“, das Ding wirkt also als Hochpass.

Kleine Zwischenbemerkung: Mit der Bezeichnung „vorlaufend“ habe ich so meine Probleme. Einerseits weil es mir unnatürlich erscheint, dass der Ausgang dieses RC-Gliedes merkt, dass eine positive Sinushalbwelle kommen wird, bevor diese am Eingang angelegt ist, andererseits, weil ich natürlich weiß, dass der Strahl meines KO’s von links nach rechts läuft und ich deshalb das KO-Bild gleichsetze mit einem Einlauffoto in der gleichen Richtung:


  


Oben ist Usain Bolt in gelb/grün „vorlaufend“, unten ist die gelbe Kurve „vorlaufend“. Das untere Bild zeigt übrigens einen gleichen 47 kOhm/10 nF Hochpass (Grenzfrequenz um 300 Hz), der mit 100 Hz aus einem DDS-Oszillator angesteurt wird. Blau vor dem Hochpass, gelb danach.

Die Ansteuerung des Hochpasses durch die um 180 Grad verschiedenen Phasen aus dem Kollektor und aus dem Emitter des ersten Transistors führt dazu, dass die Spannung am Eingang des Hochpasses verdoppelt wird und dadurch die Wechselspannung am Ausgang praktisch gleich groß ist wie die beiden Wechselspannungen am Eingang, und das trotz der Dämpfung durch den Hochpass, der ja außerhalb seines Durchlassbereiches durchlaufen werden muss, um eine vernünftig große Phasenverschiebung zu erzeugen.

Dem zweiten Transistor ist nun aber ein gleichartig angesteuerter Tiefpass nachgeschaltet. Der hat bei gleichen Werten von R und C die gleiche Grenzfrequenz und auch die gleiche Phasenverschiebung, allerdings in die andere Richtung. Am Ausgang des zweiten Phasenschiebers erscheint das Signal also wieder in der gleichen Phasenlage wie am Eingang des ganzen Gerätes.

Wenn man sich die Schaltung als Verstärker aufbaut, also die Rückkoppelung entfernt (und dem ersten Transistor die Basis etwas vorspannt), so entstehen folgende Daten: links der Amplitudengang, rechts der Phasengang, gelb der Hochpass, blau der Tiefpass und rot der ganze Verstärker, also Hochpass und Tiefpass hintereinandergeschaltet. Der entsprechende Oszillator schwingt dann mit derjenigen Frequenz, bei der die Phasensumme 0 Grad beträgt, rechnerisch bei 318 Hz.

 

 

Der Oszillator ist auch abgleichbar, allerdungs nicht gerade stark. Durch die Veränderung eines oder beider Widerstände oder Kondensatoren im Hoch- oder Tiefpass verschiebt sich die Frequenz. Deshalb ist wohl auch einer der Widerstände als Potentiometer eingezeichnet.

Wird der Widerstand im Hochpass halbiert, steigt dessen Grenzfrequenz auf das Doppelte, also auf 636 Hz und der Oszillator schwingt dann mit gut 500 Hz, eben bei derjenigen Frequenz, bei der die Summe der beiden Phasenverschiebungen Null ist, dort wo in der folgenden Grafik die rote Linie die Abszisse schneidet.

 

Der zweite Trimmwiderstand in der Kollektorleitung des zweiten Transistors regelt die Verstärkung der zweiten Stufe. In der LTSpice-Simmulation habe ich ihn auf 1.8 kOhm gestellt. Damit schwingt der Oszillator gut an und schwingt auch dann weiter, wenn im realen Leben die Batteriespannung etwas abfällt. Viel Spannungsabfall verträgt die Schaltung allerdings nicht; ich betreibe solche Versuchsschaltungen mit älteren 9V NiMH-Akkus, die natürlich nicht mehr viel Kapazität haben und habe mehrfach gesehen, wie der Oszillator über etwa 10 Sekunden die Amplitude verringerte und dann ganz ausstieg.

Kommt dazu, dass sich Verstärkung und Frequenz gegenseitig beeinflussen. Es ist schwierig, eine gewünschte Frequenz einzustellen, weil dann auch die Verstärkung verändert werden muss, was wiederum die Frequenz ändert. Allerdings kenne ich das auch von anderen Oszillatortypen; mein Wien-Oszillator regelt zwar die Verstärkung selbständig, ändert dabei aber auch die Frequenz ein wenig.

Der dritte Trimmer in meinem Oszillator, oben im Bild, schwächt das Ausgangssignal soweit ab, dass es in die Soundkarte eines PC’s eingespeist werden und mit Audacity aufgezeichnet werden kann. Wenn man die Verstärkung so knapp als möglich einstellt, sieht das Resultat so aus:





Wird kräftig verstärkt, so ist das Resultat nicht mehr so prickelnd.

  



Stellt sich noch die Frage nach dem Namen: „Phasendifferenzmethode“. Ich glaube, der Name beruht auf einem Irrtum; da hat der Namensgeber ein Minuszeichen zwischen zwei Phasen gesehen und so den Namen gewählt. Phasen sind aber vorzeichenbehaftete Grössen, die immer addiert werden und am Schluss, nach allen Additionen, auf den Bereich – 180 Grad bis + 180 Grad ( oder – π bis + π normiert werden. Die Bemerkung mag kleinlich klingen, aber die Addition ist eine kommutative Operation; da kommt es, im Gegensatz zur Subtraktion, nicht auf die Reihenfolge der Operanden an. 5 + 7 = 7 + 5, 5 – 7 ist nicht gleich 7 – 5.
 
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Nachtrag von Jürgen Heisig

Ich habe die Schaltung seinerzeit auch in LTSpice getestet. Die gegenphasigen Signale an Emitter und Kollektor von Q1 sind zwar von kleinerer Amplitude, aber deutlich sauberer. Q1/Q2 sind bei mir BC550C. Ich habe den Kollektorwiderstand von Q2 mit 2k2 bemessen, R3 mit 56k, C2 mit 4n7. Wenn man dann C2 ebenfalls auf 4n7 setzt, überstreicht eine Reihenschaltung von Widerstand mit 4k7 (Minimalwert für R4) und Poti mit 1Meg einen Frequenzbereich von ca. 400Hz bis ca. 2600Hz  Die Signalqualität ist stark von der Frequenzeinstellung abhängig. An Q2 habe ich noch einen Widerstand mit 470k von B nach C gelegt um einen definierteren Arbeitspunkt zu erhalten. Bei den alten Transistorschaltungen verließ man sich oft auf Restströme (Germanium-Transistoren). Bei Si führt das zu Problemen - 1:1 Umsetzungen funktionieren oft nicht und man muss den Bias ergänzen. Bei Q1 ist es hier nicht unbedingt erforderlich.

Die Phasenschieber erinnern mich übrigens an eine Schaltung im Radargerät FuG404. Dort wurde aus 2 gegenphasigen Signalen mit 400Hz ein 3-Phasen Signal erzeugt, welches nach Verstärkung einen Motor ansteuerte.






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