Mit
Röhren basteln: Die ECC86
Eigentlich ist die Zeit der Röhren vorbei. Aber sie gehen einfach nicht kaputt! So manches Röhrenradio funktioniert noch, und so manche Röhre wartet in der Bastelkiste auf ihren neuen Einsatz. Wenn nur die hohen Spannungen nicht wären! 250 V Anodenspannung können ganz schön weh tun! Man möchte auch nicht gern eine Mördermaschine bauen, mit der dann die Kinder spielen. Aber es gibt sie, die Röhre, die mit 6 V auskommt! Es lebe die ECC86!

Alte Röhren
soll niemand zerstören.
(Dietrich Drahtlos)
Anfang der 60er Jahre stand die Elektronik-Industrie vor einem Problem. Gerade war der Transistor geboren, man konnte endlich Autoradios ohne Zerhacker und große Trafos bauen. Aber leider war die Grenzfrequenz noch so gering, dass man mit Transistoren keine brauchbare UKW-Mischstufe hinbekam. Es musste eine Röhre verwendet werden. Es wurden also Autoradios mit einer Röhre und sonst nur Transistoren gebaut. Diese Röhre war die ECC86 "für UKW-Eingangs- und sellbstschwingende Mischstufen in Autoempfängern mit direkter Speisung aus der Wagenbatterie". Laut Datenblatt kann eine Anodenspannung von 6,3 V oder 12,6 V verwendet werden. Die Heizspannung beträgt immer 6,3 V. Diesem einmaligen Engpass in der Geschichte der Elektronik verdanken wir die Niederspannungs-Röhre ECC86.

Jetzt könnte man nach alter Väter Sitte ein Blechchassis biegen, eine Röhrenfassung einschrauben und alles mit Lötösen aufbauen. Das ist mir persönlich aber zu aufwendig für ein paar kleine Versuche. Deshalb die Alternative: Ein Sockel, ein paar Drähte dran, fertig.

Und dann der erste Versuch: 6 Volt Heizspannung anlegen, etwas warten: es glüht! Also ist der Heizfaden noch intakt. Und nun der zweite Versuch: Man legt ein Voltmeter zwischen Kathode k und Steuergitter g. Tatsächlich, am Gitter kann eine negative Spannung von ca. 1 V gemessen werden. Das ist der Beweis, dass die Röhre noch funktioniert. Das geht übrigens mit jeder Röhre. Elektronen werden von der heißen Kathode in den Raum geschleudert und gelangen zum Gitter. Wenn es sich auf eine gewisse negative Spannung aufgeladen hat, werden die abstoßenden Kräfte auf die nächsten Elektronen so stark, dass sie das Gitter nicht mehr erreichen können. Die ECC86 enthält zwei Trioden (Röhren mit drei Elektroden, Kathode, Gitter und Anode) Röhren, also wird der Test zweimal durchgeführt.

Alles klar? Dann kann das Basteln ja beginnen. Die Röhre passt prima auf einen Kosmos-Baukasten. Zur Heizung kann ein stabilisiertes Netzteil mit 6 V oder ein Akku eingesetzt werden. Bitte nie mehr als 6 V, denn der Glühfaden ist schnell durchgebrannt. Und eine EC86 ist nicht mehr an jeder Ecke zu kaufen.

Das Datenblatt zeigt die Übertragungskennlinie der Röhre. Bei 6,3 V ist sie nicht ganz so steil wie bei 12,6 V, aber immer noch gut brauchbar. Man könnte mit 12 V arbeiten und die Heizspannung mit einem Vorwiderstand reduzieren. Sicherer ist es aber doch, nur mit 6 V zu arbeiten, denn beim Basteln macht man je bekanntlich auch mal Fehler.
Nachtrag: Was unterscheidet eigentlich die ECC86 von allen anderen Röhren? Wenn man genauer darüber nachdenkt, müsste eigentlich fast jede Röhre auch bei kleinen Spannungen funktionieren. Warum soll eine EL84 nicht mit 6 V Anodenspannung arbeiten! Man müsste wohl die Pentode als Triode schalten. Falls das mal jemand ausprobiert, würd ich mich über eine Mitteilung freuen.
Hinweise von A-Freak (http://people.freenet.de/a-freak/index.html):
... Da ich viel mit Röhren bastle, kann ich Ihnen einiges darüber schreiben, insbesondere zum Thema Niedervoltbetrieb.
Zunächst einmal ist die ECC86 mit ihren Daten nicht alleine auf der Welt. Es gibt in ihrer Familie noch die ECH83, die eine Oszilatortriode und eine Mischheptode enthält, sowie die EF97 und EF98, welche als HF- und ZF-Verstärker gedacht sind (die EF97 ist eine Regelröhre mit veränderlicher Steilheit).
Weiterhin gibt es Röhren für Batteriebetrieb, die mit typischerweise 1.25V und wenigen mA geheizt werden und für Anodenspannungen von 30V bis 90V ausgelegt sind. Beispiele sind hierbei die Universalpentode DF62 (=1AD4), welche 0.1A Heizstrom und 45V Anodenspannung benötigt, oder die russische 1J18B, die nur 24mA Heizstrom benötigt, aber dafür 60V an der Anode. Letztere kostet bei gängigen Restpostenläden derzeit nur ca. 50...75 Pfennige das Stück!!! Den Vogel der Sparsamkeit schießt die DF64 ab, diese Pentode ist für Hörgeräte (damals z.B. in Brillenbügeln eingebaut) bestimmt, und benötigt lediglich 625mV und 10mA zum Heizen, sowie 15V Anodenspannung.
Ein anderes Kapitel sind die sog. Elektrometerröhren, die mit Anodenspannungen von einzelnen Volt betrieben werden müssen, um eine Ionisation des Restgases zu vermeiden, aber dafür extrem kleine Gitterströme haben. Ein Beispiel hierzu ist die 4066 (Nicht mit dem gleichnamigen CMOS-Umschalter zu verwechseln) die einen Gitterstrom kleiner 2,5*10e-15 A hat (im Dunkeln). Dies ist ein 400millionstel eines Mikroamperes! Mit diesen Röhren wäre es möglich, die elektrostatische Aufladung einer Fliege zu messen.
Normale Röhren sind -wie Sie schon bemerkt haben- in der Regel für 200V bis 300V Anodenspannung ausgelegt, funktionieren aber meistens schon ab 100V akzeptabel. Unter 30V werden die erzielbaren Ströme, sowie insbesondere die Steilheit jedoch so gering, daß sie praktisch nicht mehr nutzbar sind.
Um noch einmal auf die 1J18B (auch 1SH18B genannt) zurückzukommen, ich habe bereits vor einiger Zeit einmal einen MW-Superhetempfäner mit 3 oder 4 von diesen Röhren angedacht, dieses Projekt aber aufgrund wichtigerer Dinge zurückstellen müssen. Diese Röhre hat auch bei 12V Anodenspannung schon akzeptable Werte, bei 60V Anoden-, und 45V Schirmgitterspannung sind ca. 1,3mA Anodenruhestrom und 1mA/V Steilheit zu erreichen. Ich empfehle es allerdings SEHR, eine Kleinglühlampe mit z.B. 24V,30mA als Sicherung in die Anodenspannungszuleitung zu legen, dies hat bis jetzt bei mir noch jeden Heizfaden gerettet. Eine Anodenbatterie aus 7* 9V-Blöcken kann recht erhebliche Ströme abgeben...