Röhren-Super H64


Vor einiger Zeit bekam ich ein altes Röhrenradio geschenkt: Ein Siemens-Super H64. Das Gerät ist noch völlig unverbastelt und funktioniert relativ prima, wenn man genügend Geschick im Umgang mit dem Wellenschalter aufbringt. Sogar die Bedienungsanleitung ist noch da.

Zitat aus der Anleitung von Siemens: "Rundfunkgeräte sind mit ihrer Vielzahl von Einzelteilen verhältnismäßig komplizierte Elektrogeräte. Wenn Sie einmal Gelegenheit haben, das Innere Ihres Empfängers von der Gehäusebodenseite aus genauer zu betrachten, werden Sie erkennen, wie sorgfältig Konstruktion und Aufbau ausgeführt sind; ein Ergebnis der über 30jährigen Erfahrung unseres Hauses im Bau von Rundfunkgeräten."

Stimmt.

Jetzt sind noch einmal mehr als 30 Jahre vergangen, und das Gerät funktioniert immer noch. Aber wie bei den meisten alten Röhrenradios gibt es Probleme mit dem Wellenschalter. Die Ingenieure von Siemens waren besonders kreativ und haben etwas Luxus eingebaut: An der Rückseite ist ein weiterer Abstimmknopf für den Lieblings-Ortssender. Nur leider hat es sich nicht bewährt, die Umschalter direkt in die UKW-Kreise einzubauen. Bereits die geringste Verschmutzung des Schalters führt dazu, dass UKW nicht nur schlechter, sondern überhaupt nicht mehr funktioniert. Man kann vermuten, dass es sich hier um einen Verbesserungsvorschlag von Dietrich Drahtlos gehandelt hat, von dem man ja hört, dass er auf diese Weise so manches Serienprodukt in Schwierigkeiten gebracht hat.

Altbekanntes, geschickt verbunden,
schon ist etwas Neues erfunden.
(Dietrich Drahtlos)

Am besten funktioniert das Radio auf Mittelwelle. Aber auch hier muss man den Wellenschalter sehr geschickt nur so weit drücken, dass er so eben gerade einrastet. Außerdem war oft ein leichtes Klopfen auf die Nachbartasten nötig, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Also gut, das ist jetzt kein Vorwurf an den Hersteller, denn alle alten Wellenschalter haben das selbe Problem: Die Silberauflage der Kontakte ist abgenutzt, dazu kommt noch eine Oxydschicht und eventuell etwas Staub. Oft hat man mit Kontaktspray oder mit einer Serie schneller Schaltspiele eine Besserung erreicht, aber noch nie sehr lange.

Deshalb habe ich mich zu einer radikalen Methode entschlossen: Da ich ohnehin mit dem Gerät nur Mittelwelle empfangen möchte, wird der Wellenschalter in dieser Stellung mit drei fest eingelöteten Drahtbrücken unterstützt. Freunde historischer Radios mögen mir diesen Frevel verzeihen. Ich habe auch ganz dünne Drähtchen verwendet, die man zur Not leicht wieder durchtrennen kann.

Jetzt klappt es wieder so gut wie am ersten Tag, damals als der stolze Erstbesitzer gerade um einen halben Monatslohn ärmer geworden war. Am liebsten höre ich Radio Tien-FM aus Holland auf 675 kHz. Am Abend suche ich mir oft irgend welche fernen europäischen Sender aus. Das erweitert den Horizont und ist sehr entspannend, weil man nicht alles versteht. Das schwache grüne Leuchten des magischen Auges und die Skalenbeleuchtung verbreiten zusätzlich die richtige Stimmung. Es ist viel schöner als Fernsehen, man kann dabei lesen oder seinen Gedanken freien Lauf lassen. Radio ist eben was Feines. Besonders auf Mittelwelle und ganz besonders mit Röhren.