Anodenspannung Null


Allgemein geht der Trend hin zu immer kleineren Betriebsspannungen. Der Prozessor im PC läuft heute schon mit weniger als 3 Volt, und die digitale Elektronik zielt langfristig auf den 1-Volt-Durchbruch. Auch Versuche mit Elektronenröhren werden immer öfter mit kleinen Spannungen durchgeführt. Der absolute Rekord ist mir nun mit einer UHF-Triode PC86 gelungen: Ein Hochfrequenzoszillator mit einer Anodenspannung von 0,000 Volt. Dieser ZVO (Zero Voltage Oszillator) wird sicherlich die Technik revolutionieren.

Die Schaltung kann mit einem Oszilloskop überprüft werden. Man kann aber auch mit einem Mittelwellenradio das Signal des Oszillators empfangen, am besten durch Interferenz zu schwachen Sendern. Die Schaltung lässt sich ganz universell als Prüfsender verwenden. Übrigens, wenn man die Heizspannung abschaltet, läuft der Oszillator noch so lange weiter, wie die Kathode noch ausreichend glüht.

Elektrische Schwingungen ohne Einsatz elektrischer Energie? Manch einer mag nun auf diesen Sieg über die Physik anstoßen, nicht aber der Physiker selbst. Er vertraut nämlich auf den Energieerhaltungssatz und stellt ganz nüchtern die Frage, woher stammt denn diese Energie. Na klar, sie stammt aus der heißen Kathode. Elektronen werden mit so viel Energie ausgesandt, dass sie bis zur Anode fliegen. Es handelt sich daher hier nicht um das lang gesuchte Perpetuum Mobile, sondern um den ersten dokumentierten Fall einer direkten Energieumwandlung von Wärme in elektrische Schwingungen. Theoretisch könnte man die Kathode auch mit Gas beheizen und so elektrische Energie gewinnen. Allerdings ist der Winkungsgrad eher bescheiden.

Es wird kein Patent,
was jeder schon kennt.
(Dietrich Drahtlos)

Die Schaltung ist das Endergebnis einer Versuchsreihe zum Thema "Wie viel Anodenspannung braucht die Röhre". Sobald echte Verstärkung auftritt, kann man Schwingungen erzeugen. Für den Versuch wurde eine möglichst verlustarme Anordnung gewählt. Eine Mittelwellen-Ferritantenne mit einer Wicklung aus HF-Litze zusammen mit einem Folien-Drehkondensator weist einen hohen Resonanzwiderstand auf. Allerdings bewirkt der unvermeidliche Gitterstrom der Röhre eine zusätzliche Dämpfung. Es ist daher nötig, den Gitterwiderstand zu variieren. Ein großer Gitterwiderstand verringert den Gitterstrom und die Dämpfung, zugleich aber auch den Anodenstrom und die Steilheit der Röhre. Der optimale Kompromiss kann für jede Röhre anders aussehen. Für eine ECC85 lag das beste Ergebnis bei 5,6 kOhm und 2,5 V. Mit der PC86 ergab sich eine Überraschung: Das Optimum lag bei größeren Widerständen von einigen 100 kOhm. Bei einer Anodenspannung von nur einem Volt konnten noch Pendelschwingungen beobachtet werden. Und bis herunter zu null Volt reißt die Schwingung nicht ab.