Radiobausatz "JUNOST 105"
von Günther Zöppel
Von Burkhard Kainka
erhielt ich einen Bausatz eines russischen AM-Geradeausempfängers Junost 105 (Junost = russisch für Jugend), den ihm jemand
vom Flohmarkt mitgebracht hatte. Nach In-Augenscheinnahme des Inhaltes stammt der Bausatz
wohl aus den 60er oder 70er Jahren. Burkhard fand leider keine Zeit zum
Zusammenbau und hat mich daher gefragt, ob ich ihm helfen könne. Da der
Radiobau zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, konnte ich nicht absagen.
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen hier dokumentiert werden.
Der Bausatz ist sehr umfangreich und übersichtlich verpackt,
die mitgelieferte Dokumentation ist für einen erfolgreichen Aufbau ausreichend,
sofern man über Russischkenntnisse verfügt.
Laut russischer Beschreibung soll der Empfänger für 12 –
16jährige Radioliebhaber geeignet sein.
Nach dem Auspacken beeindrucken die beiden
Plastikgehäusehälften mit bereits eingebautem Lautsprecher und dem
vorinstallierten Skalenantrieb. Ein stabil verarbeitetes Batteriefach mit Platz
für 4 Stück AA-Zellen R6 (im Russischen nennen sich diese „316“) und eine
Trageschlaufe ergänzen die mechanischen Teile.
Ein Vierkantferritstab, ein Einfach-Drehko 5-180pF, 2 Trafos
für die Endstufe, ein Stück Lötzinn, eine Druckfeder für das Gehäuse, ein
Rändelrad für den Drehkoantrieb, ein Lautstärkepoti mit einpoligem Einschalter,
ein HF-Spulenkörper (der noch selbst bewickelt werden muß), diverser Schalt-
und Spulenwickeldraht (HF-Litze) sowie eine Kupferlötspitze sind auf dem
nächsten Bild zu sehen. Da in Russland zu damaliger Zeit wohl die etwas
leistungsstärkeren Lötkolben dominierten, wird der Gebrauch dieser beigelegten
Lötspitze in der Zusammenbauanleitung extra empfohlen, um die Leiterbahnen
nicht durch zu große Wärmeeinwirkung von der Platine abzuschmoren. Generell
wird im Text sehr viel Wert auf robustes Werkzeug gelegt und vor ungeeigneten
Hilfsmitteln gewarnt – der russische Autor wusste sicherlich, wovon er sprach…
Die Leiterplatte mit bereits aufgelötetem Buchsenkörper
(Außenantenne, Ohrhöreranschluß und Hohlsteckeranschluß für externe
Stromversorgung) macht einen sehr soliden Eindruck.
Diverse Schrauben zur Gehäuse – und Drehkomontage, eine LED
als Betriebsanzeige, 4 Transistoren (alle NPN, sehen wie Keramikfilter aus, mit
gelbem Plastikgehäuse), ein Einstellregler, 3 Elkos und 7 Keramik-C´s (die
roten Kondensatoren waren auch in der
DDR in vielen Geräten eingesetzt und fielen oft aus, was ihnen
den Spitznamen „Arbeiterfahne“ einbrachte), 2 Dioden sowie 8 Widerstände
ergänzen den Bausatz.
Eine umfangreiche Dokumentation hilft beim Aufbau durch sehr
genaue Hinweise. Ich war in der glücklichen Lage, als gelernter DDR-Bürger mit
staatlich verordneter Russischausbildung den Text lesen und übersetzen zu
können.
Es gibt beim Googeln nach dem Gerätenamen Junost 105 genug
Kollegen, die sich auch mit dem Gerät befasst haben, z.B. in Wumpus Welt der alten Radios. Er weist auch auf einen bekannten Fehler im Schaltbild hin:
Der Widerstand R6 muß von der
Katode der Diode V3 entfernt und zwischen C5 und V3 angeschlossen werden, denn
sonst hätte die Diode keine Vorspannung, die Gleichrichtung und die
Doppelnutzung der ersten beiden Transistoren (Reflexprinzip) würden nicht
funktionieren. Auf der Leiterplatte ist dieser Sachverhalt aber richtig – also
nur ein Zeichenfehler.
Der Aufbau
Vor dem Zusammenbau habe ich erst mal die vorhandenen
Bauelemente geprüft, da der Bausatz doch einige Jahre auf dem Buckel hat und
auch elektronische Bauteile dann altersbedingte Gebrechen aufweisen können.
Nicht ganz unberechtigt, wie man im folgenden sieht.
Dieser C (10nF) ist noch in Ordnung.
Der Elko hat nur noch 29 pF statt 30 µF und muß ersetzt
werden, da durch lange Lagerung meist der Elektrolyt austrocknet und er die
Kapazität verliert.
Die andern Elkos haben zwar noch Kapazität, aber die
ESR-Werte sind erschreckend hoch. Daher werden sie auch durch neue Exemplare
ersetzt. Hohe ESR-Werte bedingen bei angelegter Spannung hohe innere Verluste,
die beabsichtigte Störunterdrückung ist geringer, die Elkos erwärmen sich dann
und gehen in kurzer Zeit in den Kondensatorenhimmel ein.
Die Transistoren waren noch alle in Ordnung, es waren sogar
zwei in der Stromverstärkung etwa gleiche Exemplare dabei, die wegen der
Symmetrie in die Gegentaktendstufe verfrachtet wurden.
Weiterhin wurde noch eine „Arbeiterfahne“ ausgesondert, die
statt 6,8nF nur noch 3nF hatte.
Die mitgelieferte LED war auch nicht zum Leuchten zu bewegen
und wurde durch eine moderne stromarme grüne 5mm-LED ersetzt, das sieht als
Betriebsanzeige meiner Meinung nach besser aus, wie ein Mini-Magisches Auge,
als das gefährliche Signalrot. Nach Prüfung der restlichen Bauelemente wurde
mit der Bestückung begonnen, zuerst die
kleinen Bauteile wie R, Dioden, C´s und Transistoren, die man – sollte man die
großen Teile zuerst bestücken, dann nur durch ziemliche Fummelei dazwischen
bekäme. Der Bestückungsdruck ist eindeutig und hilft enorm.
Der HF-Übertrager ist vorm Einlöten erst noch zu bewickeln,
die Spule 1 mit 40 Windungen seidenumsponnenen CuL-Draht, der vom
mitgelieferten Vorratskörper abgewickelt wird. Nach Lagenisolation mit einem
Stück Isolierband wird die zweite Spule darübergewickelt, diese mit dem blankem
CuL-Draht. Die Spulenenden sollte man verzinnen und nur um die Anschlussstifte
wickeln, da das thermoplastische Spulenkörpermaterial sofort weich wird und die
Stifte ihr Rastermaß verlieren. Die Bohrlöcher in der Leiterplatte sind
ausreichend groß, sodaß man die umwickelten Beinchen problemlos durchbekommt,
wonach die Spule festgelötet wird.
Die Eingangsspulen der Ferritantenne werden auf selbst
herzustellende Pappkörper gewickelt. Man legt dazu einfach Pappstreifen um den
Vierkantkörper des Ferritstabes und verklebt die Pappenden so, dass der
enstandene Körper sich leicht auf dem Ferritstab verschieben lässt. Spule L1 hat 90 Windungen HF-Litze 8x0,07, Spule L2 nur 2
Windungen. Die Drahtenden sollte man
lang genug lassen, um die Spulen noch etwas hin-und herschieben zu können.
Wichtig ist bei dieser HF-Litze, dass man alle 8 Einzeladern verzinnt und nicht
etwa eine Ader abreißt oder nicht leitend mit den übrigen verbunden ist – das
ergäbe dann eine Dämpfungswicklung und Empfindlichkeitsverlust.
Gemessen habe ich für L1 eine Induktivität von 590 µH, das
stimmt auch für den verwendeten Drehko laut Thomson für den MW-Bereich.
Inbetriebnahme
Drehko und Lautstärkepoti werden maßgerecht eingebaut,
Hinweise dazu sind in den Zeichnungen auch ohne Russischkenntnisse entnehmbar.
Die Rändelräder müssen später nach Zusammenbau frei drehbar sein, der
Skalenantrieb muß durch einen Plastebolzen auf dem Rändelrad bewegt werden. Der
Skalenzeiger sollte bei den Endanschlägen des Drehkos dann von linkem und
rechtem Skalenrand gleichweit entfernt sein, man kann ihn etwas auf der
Antriebsschnur verschieben bei Bedarf. Die LED sollte etwa 33 mm über der
Leiterplatte enden, damit sie an der Vorderseite im Gehäuseausschnitt zu sehen
ist. Die Brücke E1 darf nicht vergessen werden.
Nachdem die Bestückung abgeschlossen ist, werden mittels
mitgeliefertem Draht der Lautsprecher und die Stromversorgung angeschlossen und
das Gerät erstmalig eingeschaltet. Die LED muß aufleuchten. In den Abendstunden
sollte jetzt Empfang möglich sein. Mein neuer „Ortssender“ Liblice aus
Tschechien (639 kHz) ließ sich sofort empfangen. Mit dem Trimmer R7 kann der
Arbeitspunkt der ersten beiden Stufen auf maximale Verstärkung, Empfindlichkeit
und Verzerrungsfreiheit eingestellt werden. Das ist beim Reflexempfänger aber
ein gewisser Kompromiss, bei höherer HF-Verstärkung ist die Verzerrung größer,
das Tonsignal klingt unsauber. Ich habe das Gerät auf sauberen Ton abgeglichen,
dafür ist die Gesamtlautstärke etwas geringer. Durch Verschieben der
Koppelspule kann ein Maximum an Empfindlichkeit gefunden werden, eventuell
sollte man auch mit der Windungszahl (mehr als 2 Wdg.) experimentieren, wenn
diese nicht ausreichend ist – das war bei meinem Empfänger aber nicht
notwendig. Der rechteckige Ferritstab bietet für den Empfang ausreichend
Antennenfläche, sodass für Normalansprüche auf eine Außenantenne verzichtet
werden kann. Mit Verschieben von L1 könnte die Skala geeicht werden, es sind
aber keine Frequenzangaben auf dieser, sondern nur Senderstandorte in Russisch,
die eh nicht mehr existieren. Nach Abschluß aller Arbeiten habe ich die Spulen
L1 und L2 mit Kerzenwachs fixiert. Danach kann man die Leiterplatte ins Gehäuse
einbauen. Die Plastnasen der
Gehäusehälften müssen dabei in die Löcher der Leiterplatte einrasten,
gleichzeitig müssen Batteriehalter, Batteriefachdeckel, LED und Skalenantrieb
in die entsprechenden Ausschnitte eingefügt werden und die Handschlaufenöse
eingefädelt sein, eine etwas knifflige Angelegenheit, aber mit Ruhe und Geduld
schaffbar. Ob alles stimmt, sieht man an einer gleichmäßig rund ums Gehäuse
laufenden Fuge, die im Fehlerfall nicht fluchtet. Der Batteriefachdeckel sollte sich leicht schließen lassen und der
Skalenantrieb leichtgängig sein. Dann kann man es mittels 4 Schrauben
schließen. Mit der Plastik-Schlaufe
kann man das Gerät jetzt am Handgelenk baumeln lassen (oder es auch wegwerfen ;-).
Fazit
Vor 55 Jahren hätte man mit solch einem Gerät viele Bastler
beeindruckt, aber heute sind die Kriterien doch etwas höher angesiedelt.
Verglichen mit meinem kürzlich
realisierten ZX921 aus China, ebenfalls nur für MW-Empfang gebaut, liegt das Junost-Radio klar hinten. Die
Stromversorgung mit notwendigen 4xR6, bei nur ca. 100mW Ausgangsleistung, ist
schaltungstechnisch nicht mehr up-to-date, man kann aber über die Buchse an der
Seite 6V mittels Hohlstecker zuführen. Der
Klang ist dürftig, bedingt durch den Miniaturlautsprecher, der eine sehr hart
aufgehängte Membran hat, und durch die kleinen Übertrager. Mit Ohrhörer klingt
es etwas besser, der interne Lautsprecher schaltet sich dabei ab. Die
erreichbare Lautstärke ist leider nur für sehr ruhige Umgebungen geeignet. Die
Empfindlichkeit ist naturgemäß etwas geringer, da es nur ein
Geradeaus-Empfänger ist, der auch keine Rückkopplung zur
Empfindlichkeitssteigerung hat. Mit Anschluß einer Langdrahtantenne an der
wahrscheinlich auch deswegen vorgesehenen Buchse wird das
Senderangebot etwas besser. Zum Abhören diverser leistungsstärkerer Stationen
in den Abendstunden durchaus geeignet, und optisch auch anschaulich gestaltet,
findet das Gerät in meiner Sammlung seinen Platz und fungiert da als Zeitzeuge
vergangener Empfangstechnik. Man könnte in das formschöne Gehäuse ein modernes
Radio einbauen, aber das wäre eine Entweihung dieses schönen historischen
Bausatzes.
Der Aufbau hat mir viel
Freude bereitet, das Ergebnis ist auf jeden Fall ein Erfolg, wenn man es
zeitgeschichtlich richtig einordnet.
Nochmals vielen Dank an Burkhard Kainka, der mir den Bausatz
zur Verfügung stellte.
Günther Zöppel
Pockau, Oktober 2018
Siehe auch: www.bastler-beutel.de/HTML/Baukaesten/index.htm