Kapitel 10 aus dem Handbuch der analogen Elektronik,
später Grundwissen
Elektronik von
Burkhard Kainka, Franzis
Nicht jede Verstärkungsaufgabe lässt sich optimal mit einfachen Transistoren lösen. Deshalb setzt man gern fertige Verstärker ein, um die herum man eine Schaltung aufbaut. Operationsverstärker (OPV) sind integrierte Schaltungen (IC) mit mehreren Transistoren und Widerständen. Der Name des Bauteils kommt von seinem ursprünglichen Einsatz als Rechenverstärker. Analoge Rechner führten Rechenoperationen wie Addition, Multiplikation usw. mit solchen Verstärkern aus.
Ein OPV besitzt zwei Eingänge und einen Ausgang. Die Differenz der beiden Eingangsspannungen wird sehr hoch verstärkt. Verstärkungen von 100000-fach sind üblich. Die Genauigkeit der Eingangsstufe ohne speziellen Abgleich ist bei einfachen Typen etwa 1 mV. Intern besteht die Schaltung aus einem Differenzverstärker und einer Ausgangsstufe. Man kann also eine vergleichbare Schaltung auch aus Einzeltransistoren aufbauen.
Abb. 10.1 Prinzipschaltung des Operationsverstärkers
Die Eingänge der OPV bezeichnet man als invertierenden Eingang (-) und als nicht-invertierenden Eingang (+). Ein guter Operationsverstärker soll einen großen Eingangsspannungsbereich haben und nicht auf die absolute Eingangsspannung, sondern nur auf die Differenz der Eingangsspannungen reagieren. Ursprünglich arbeitete man meist mit zwei Betriebsspannungen von -15V und +15V. Der Arbeitsbereich lag dann zwischen -10V und +10V. Viele moderne Operationsverstärker kommen aber auch mit einer einfachen Versorgungsspannung aus.
Abb. 10.2 Schaltsymbol eines Operationsverstärkers
Operationsverstärker sind intern je nach Typ aus ca. 50 Transistoren aufgebaut. Einige Hersteller geben in den Datenblättern Innenschaltungen an, die einige Informationen offenlegen, die für den Einsatz des Verstärkers wichtig sein können. Abb. 10.3 zeigt die Innenschaltung des Standard-OPV 741.
Abb. 10.3 Innenschaltung des 741 (National Semiconductor)
Die Innenschaltung zeigt einen Eingangs-Differenzverstärker mit NPN-Transistoren. Der Emitterstrom ist in geringem Maße von außen auf beste Symmetrie justierbar. Über einen Stromspiegel gelangt das Signal an einen Zwischenverstärker, der eine Gegentakt-Ausgangssufe steuert. Ein einzelner Kondensator sorgt für eine Reduzierung des internen Verstärkungs-Bandbreiteprodukts auf 1 MHz. Während die Leerlaufverstärkung bis etwa 10 Hz noch etwa 100.000 beträgt, erreicht sie bei 1 MHz nur noch den Wert Eins. Abb. 10.4 zeigt die Abnahme der Verstärkung im logarithmischen Maßstab. Diese Reduzierung der Verstärkung bei hohen Frequenzen ist erforderlich, um in allen Betriebszuständen eine ausreichende Stabilität zu erhalten. Sie bringt es aber auch mit sich, dass normale OPVs nicht für sehr hohe Frequenzen eingesetzt werden können.
Abb. 10.4
Verstärkungsabfall in Abhängigkeit von der Frequenz
Die extrem hohe Verstärkung des OPV von etwa 100000-fach bedeutet, dass eine kleine Änderung der Eingangsspannung von etwa 100 µV zu einer Vollaussteuerung am Ausgang führt. Legt man nach Abb. 10.5 zwei getrennte Eingangsspannungen an die Eingänge, dann wird der Ausgang praktisch immer entweder ganz an seiner negativen oder an seiner positiven Aussteuerungsgrenze liegen, je nachdem welche Eingangsspannung höher ist. Der Operationsverstärker verhält sich dabei wie ein stark übersteuerter Verstärker.
Der OPV vergleicht praktisch beide Eingangsspannungen und gibt das Ergebnis größer/kleiner als verstärkte Ausgangsspannung aus. Man bezeichnet diese Schaltung daher als Vergleicher oder Komparator. Man verwendet Komparatoren z.B. um Grenzwerte einer Eingangsgröße zu überwachen. Mit einem vorgeschalteten Temperatursensor lässt sich ein Warnsignal bei Übertemperatur erzeugen. Mit einem Poti am zweiten Eingang ist die Grenzwert in weiten Grenzen justierbar.
Abb. 10.5 Prinzip des Komparators
Man kann einen Komparator auch verwenden, um Eingangsspannungen mit beliebigen Kurvenformen in Rechtecksignale umzuformen. Eine typische Anwendung liegt in der Eingangsstufe für einen digitalen Frequenzzähler, der in seinem Digitalteil nur Rechtecksignale verarbeitet.
Abb. 10.6 Anwendung des Komparators als Rechteckformer
Statt normaler Operationsverstärker setzt man oft spezielle Komparator-ICs ein. Ein typische Vertreter dieser ICs ist der vierfache Komparator LM339. Er verwendet in seiner Ausgangsstufe eine Emitterschaltung mit offenem Kollektor, so dass ein externer Kollektorwiderstand verwendet werden muss. Ein weiterer Unterschied zu einem üblichen Operationsverstärker ist, dass keine interne Begrenzung des Frequenzgangs verwendet wird. Damit erreicht man ein schnelleres Umschalten und eine höhere Arbeitsfrequenz sowie steilere Flanken des Ausgangssignals. Stabilitätsprobleme treten bei einem Komparator nicht auf, weil er sich praktisch immer in einem übersteuerten Zustand befindet, in dem effektiv eine sehr kleine Verstärkung herrscht.
Abb. 10.7 Innenschaltung des Komparators LM339
Die Eingangsstufe des LM339 verwendet einen
Differenzverstärker mit zwei PNP-Darlington-Stufen. Es können daher
Eingangsspannungen bis herunter zur negativen Betriebsspannung verglichen
werden. Zusätzliche Dioden verbessern das Verhalten bei starker Übersteuerung.
Ein normaler OPV reagiert darauf mit einem verschlechterten Impulsverhalten,
weil eine Übersteuerung der Eingangsstufen die Transistoren in die Sättigung
führt, aus der sich nur mit einer gewissen Verzögerung erholen.
Ein OPV kann z.B. verwendet werden, um eine Eingangsspannung exakt um den Faktor 2 zu verstärken. Dazu verwendet man eine Gegenkopplung mit Widerständen. Die Ausgangsspannung stellt sich automatisch so ein, dass die Eingangsspannungen praktisch gleich sind. Jede kleine Abweichung führt nämlich zu einer großen Änderung der Ausgangsspannung und wird durch die Gegenkopplung schnell ausgeglichen. Die Differenz der Eingangsspannungen ändert sich dabei wegen der hohen Verstärkung fast nicht. Man kann daher vereinfachend sagen, die Spannungen an den Eingängen sind gleich. Praktisch findet man jedoch eine konstante, kleine Differenz, die auf nicht exakt gleiche Eingangstransistoren zurückzuführen ist. Dieser Offset-Fehler beträgt z.B. 1 mV.
Bei der Planung einer Schaltung geht man zunächst von einem idealen OPV ohne Offset-Fehler aus. Der ideale OPV hat außerdem einen unendlichen Eingangswiderstand, einen Ausgangswidertstand von Null und einen unendlichen Frequenzgang. In vielen Anwendungen verhält sich ein Standard-OPV bereits praktisch wie ein idealer OPV.
Abb. 10.8 OPV als Verstärker
Prinzipiell kann jede Verstärkung durch geeignete Wahl der Widerstände erreicht werden. Der Verstärkungsfaktor entspricht dem Teilungsfaktor des Spannungsteilers im Rückkopplungszweig.
Bei einer sehr hohen Verstärkung ist zu beachten, dass auch der Offsetfehler des OPV mitverstärkt wird. Bei einigen Typen (z.B. LM741) existieren spezielle Anschlüsse zum Offset-Abgleich. Andere werden schon bei der Herstellung speziell abgeglichen und besitzen Offsetfehler von wenigen Mikrovolt (z.B. OP07).
Abb. 10.9 Offset-Abgleich bei LM741
Ein OPV kann verwendet werden, um eine Eingangsspannung exakt zu invertieren. Der nichtinvertierende Eingang des OPV wird dazu an Masse gelegt. Die Spannung am invertierenden Eingang stellt sich ebenfalls auf Null ein. Verwendet man zwei gleiche Widerstände im Gegenkoppelzweig, dann stellt sich bei einer Eingangsspannung von +1V eine Ausgangsspannung von -1V ein, so dass die Spannung am invertierenden Eingang gerade Null ist.
Abb. 10.10 Ein invertierender Verstärker
Durch Wahl anderer Widerstände lassen sich beliebige Verstärkungen erzielen. Allgemein gilt:
Oft sollen mehrere Eingangsspannungen addiert werden. Dies gelingt mit dem invertierenden Verstärker, indem man mehrere Eingangswiderstände vorsieht. Die Invertierung kann durch einen zweiten Inverter wieder aufgehoben werden.
Abb. 10.11 Ein Addierer für drei Eingangsspannungen
Die meisten OPVs arbeiten in einem begrenzten Spannungsbereich mit einem gewissen Abstand zur Versorgungsspannung. Einige Typen sind durch besondere Eingangsschaltungen dafür optimiert, bis an die negative Versorgungsspannung heran zu arbeiten. Sie kommen daher mit einer einfachen Stromversorgung aus. So kann z.B. der doppelte OPV LM358 ebenso wie der vierfache OPV LM324 mit einer einzigen Versorgungsspannung von +3V betrieben werden und eignet sich daher für Batteriebetrieb.
Durch den Einsatz von PNP-Eingangsstufen erreicht man hier, dass Eingangsspannungen sogar leicht unter der negativen Betriebsspannung liegen dürfen. Die Ausgangsspannung reicht dagegen nicht ganz an die Null heran.
Abb. 10.12 Innenschaltung des LM358 mit PNP-Eingangsstufen (SGS)
Abb. 10.13 ein einfacher Messverstärker mit Batteriebetrieb
Obwohl der OPV speziell als Gleichspannungsverstärker konzipiert ist, eignet er sich auch zur Verstärkung von Wechselspannungen, also z.B. als Mikrofonverstärker. Bei einfacher Versorgungsspannung legt man meist eine künstliche Mittenspannung z.B. mit der halben Betriebsspannung fest. Die Schaltung verhält sich dann so, als hätte sie eine positive und eine negative Versorgungsspannung.
Abb. 10.14 Ein Mikrofonverstärker mit OPV
Mit OPVs lassen sich auch Lautsprecherverstärker aufbauen. Zwar ist der maximale Ausgangsstrom mit ca. 10 mA nur für einfache Kopfhörerverstärker geeignet, mit zwei zusätzlichen Transistoren ergibt sich jedoch immer noch ein einfacher Aufbau. Die Transistoren bilden eine Gegentaktendstufe mit dem Ruhestrom Null. Kleine Signale werden direkt vom OPV geliefert. Erst bei Ausgangsströmen über 10 mA beginnen die Endstufentransistoren zu verstärken.
Abb. 10.15 Leistungsverstärker mit Komplementärstufe
Ein Gegentaktverstärker ohne Ruhestrom liefert prinzipiell hohe Verzerrungen. Diese werden jedoch hier durch die starke Gegenkopplung zum großen Teil kompensiert. Trotzdem ist auf diese Weise kein HiFi-Verstärker zu bauen. Die Schaltung eignet sich eher für kleine Experimente. Für ernsthafte Anwendungen sollte man besser integrierte Leistungsverstärker wie den LM386 einsetzen.
Abb. 10.16 Innenschaltung des LM386 (National Semiconductor)
Die Innenschaltung des LM386 zeigt große Ähnlichkeit mit einem Operationsverstärker. Allerdings befindet sich im Emitterzweig ein Widerstand zur Gegenkopplung und Einstellung der Grundverstärkung auf den Faktor 20. Die PNP-Eingangsstufen ermöglichen den Betrieb mit Eingangsspannungen nahe dem Massepotential. Ohne weitere Maßnahmen stellt sich ein mittleres Ausgangspotential ein, weil eine interne Gegenkopplung für einen stabilen Arbeitspunkt sorgt.
Abb. 10.17 Typische Schaltungen für V=20 und V=200 (National Semiconductor)
Für viele Anwendungen ist es entscheidend, dass die Eingänge eines OPV extrem hochohmig sind. In die Eingänge eines Standard-OPV vom Typ LM358 fließen Ströme von ca. 50 nA. An einem Eingangswiderstand von 1 MW ergibt sich dadurch schon ein Spannungsabfall von 50 mV. Fast ohne Eingangsstrom arbeiten dagegen OPVs mit Feldeffekttransistoren in den Eingangsstufen.
Mit J-FET-Eingängen erreicht man Eingangsströme, die um den Faktor 1000 unter denen bipolarer Eingänge liegen. Ein typischer Vertreter ist der TL081 (einfach) bzw. der TL082 (zweifach) oder der TL084 (vierfach). Diese Verstärker verwenden J-FETs in den Eingangsstufen und bipolare Transistoren im Rest der Schaltung. Abb. 10.18 zeigt die Innenschaltung.
Abb. 10.18 Innenschaltung des TL081 (Texas Instruments)
Die TL081-Serie folgt in der Pinbelegung dem Industriestandard. Standard-OPVs wie LM741, LM358 oder LM325 können daher einfach ersetzt werden. Abb. 10.19 zeigt die Anschlussbelegung.
Abb. 10.19 Die Standard-Anschlussbelegungen für OPVs (Motorola)
Eine noch bessere Isolation der Eingänge erreicht man mit MOS-FETs in den Eingangsstufen. Ein typischer Vertreter dieser Technologie ist der CA3140 (vgl. Abb. 10.20). Der OPV arbeitet mit doppelter oder einfacher Stromversorgung ab 4 V. Die Eingangsspannung darf um bis zu 0,5 V unter der negativen Betriebsspannung liegen. Da die Eingänge von MOS-FETs sehr empfindlich gegen Überspannungen sind, wurden zusätzliche Zenerdioden als Schutz eingebaut. Man erreicht Eingangsströme von nur 2 pA. Die Ausgangsstufe des CA3140 ist konventionell mit bipolaren Transistoren aufgebaut. Die Hersteller nennen diese Technologie daher BiMOS-Verstärker. Neben der einfachen Version gibt es auch den zweifachen OPV CA3240.
Abb. 10.20 Innenschaltung des CA3140 (Harris)
Die Leerlauf-Spannungsverstärkung und ihr Frequenzgang (Vgl. Abb. 10.21) entsprechen weitgehend der von bipolaren Standard-OPVs. Auch im CA3140 sorgt ein kleiner Kondensator für eine Beschneidung der Bandbreite und die erforderliche Stabilität.
Abb. 10.21 Frequenzgang der Leerlaufverstärkung des CA3140 (Harris)
Eine weitere Verbesserung bringt der CA3160 mit seiner komplementären MOS-Ausgangsstufe (CMOS). Man erreicht damit, dass die Ausgangsspannung bis auf 10 mV an die negative und an die positive Betriebsspannung ausgesteuert werden kann (Rail-To-Rail).
Abb. 10.22 Innenschaltung des CA3160 (Harris)
Hochohmige OPVs lassen sich einsetzen, um langsame Kurvenformen wie Spannungsrampen zu erzeugen. Abb. 10.23 zeigt einen typischen Rampengenerator, wie er zur automatischen Aufnahme von Kennlinien verwendet werden kann. Der OPV arbeitet als Integrator. Die Steilheit der Rampe wird durch den geringen Ladestrom in den invertierenden Eingang bestimmt. Dank der hochohmigen Eingänge des OPV braucht man keine Verfälschung durch Eingangsströme zu befürchten. Ein Schalter parallel zum Integrator-Kondensator dient zur Entladung und zum Neustart einer Spannungsrampe.
Abb. 10.23 Ein Rampengenerator
In einigen Fällen benötigt man statt einer linear ansteigenden Spannung eine exponentielle Kurvenform. Ein exponentiell arbeitender Rampengenerator nach Abb. 10.24 kann z.B. eingesetzt werden, um einen Tongenerator für Audio-Messzwecke zu steuern. Der Ladestrom des Kondensators wird hier über einen Spannung erzeugt, die selbst proportional zur Kondensatorspannung ist. Dabei ergibt sich der exponentielle Anstieg. Zum Start der Schaltung muss eine bestimmte Spannung vorgegeben werden. Mit 50 mV ergibt sich wegen der zweifachen Verstärkung eine Anfangsspannung von 100 mV am Ausgang. Mit einem hochohmigen BiMOS-OPV lassen sich die Daten der Schaltung in weiten Grenzen verändern.
Abb. 10.24 Ein exponentieller Rampengenerator
Abb. 10.25 Die Ausgangsspannung des exponentiellen Rampengenerators
Viele moderne OPVs sind komplett in CMOS-Technik aufgebaut und enthalten keine bipolaren Transistoren mehr. Ein typischer Vertreter ist der zweifache CMOS-OPV TLC272 mit Eingangsströmen unter einem Pikoampere. Abb. 10.26 zeigt des Innenschaltbild. Einige CMOS-OPVs arbeiten am Eingang und am Ausgang mit Spannungen bis zu den Versorgungsspannungen (Rail-To-Rail).
Abb. 10.26 Innenschaltung des TLC272 (Texas Instruments)
Extrem hochohmige OPVs werden in sog. Instrumentenverstärkern für Messzwecke eingesetzt. Ein Instrumentenverstärker nach Abb. 10.27 besitzt Differenzeingänge und einen unipolaren Ausgang. Es können Messungen auch an solchen Messobjekten durchgeführt werden, die mit keinem Anschluss auf Massepotential liegen. Die Spannung gegenüber Masse muss jedoch im Eingangs-Aussteuerbereich der OPVs liegen. Die Schaltung besteht aus einem einstellbaren Differenzverstärker und zwei vorgeschalteten Impedanzwandlern für einen extrem hohen Eingangswiderstand. Der Abgleich des Differenzverstärkers ist erforderlich, um den Verstärker auf beste Gleichtaktunterdrückung und Stabilität einzustellen.
Abb. 10.27 Der Instrumentenverstärker