„Hongkong“ – DSP-Radio für FM/MW/SW    


von W. Mews 
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Das „Hongkong“-DSP-Radio aus Fernost ist das Ergebnis innovativer Entwicklung eines kompletten Multiband-DSP-Empfängers in äußerst kleinen Dimensionen. Der Radio-Chip ist auf der Rückseite eines gängigen Mini-Folien-Drehkondensators aufmontiert, wie er in vielen früheren Taschenradios zur Anwendung kam. Allerdings ist der Drehkondensator selbst für die DSP-Funktion umkonstruiert und nicht für analoge Radios verwendbar. Die Abstimmung des DSP-Radios erfolgt durch Betätigung des Drehkondensators, was deshalb vorteilhaft ist, weil man dadurch in gewohnter Weise abstimmen kann (siehe Artikel zum DSPM2).

DSP heißt „digitalsignalprocessing“,d. h. die Radiosignale werden zwar analog empfangen, aber im Radiochip digital weiterverarbeitet. Das Eingangssignal wird abgetastet (sample and hold Funktion und Schaltmischer) und zum Schluss wieder analog ausgegeben. Der Radio-Chip enthält eine AGC-Funktion, die stärkere Signale entsprechend zurückregelt. Das Einrasten auf einen Sender und damit die richtige Einstellung wird durch eine Leuchtdiode angezeigt. Bei zu schwachem Eingangssignal leuchtet die LED nicht auf.

Leider hat die AGC-Funktion dieses Radiomoduls diskrete Eigenschaften, d. h. sie funktioniert nicht kontinuierlich, sondern stufig. Schwankt das Eingangssignal in seiner Stärke, so schwankt das NF Ausgangssignal stufig bis hin zum Muting bei sehr schwachem Signal. Das stört die Hörbarkeit etwas.




Seine Stärke hat der Empfänger-chip im KW–Bereich. Hier ist tadelloser Empfang möglich. Allerdings sind die Grenzen der KW-Bänder oft nicht identisch mit den herkömmlichen KW-Rundfunkbändern vom 60m-bis zum 13m – Band, sodass man beim Empfang von Sendern, die in einer nicht abgedeckten Empfangslücke liegen, auf die Wide–Bänder ausweichen muss. Nachteiligist dabei, dass aufgrund des hohen Frequenzvariationsverhältnisses äußerst sensibel abgestimmt werden muss, um nicht einfachüber einen Sender „drüberzudrehen“. Es ist also sehr langsames Drehen des Abstimmknopfes angesagt. Der FM-Empfang ist ausgezeichnet, sowohl in Mono über Lautsprecher als auch in Stereo über die angeschlossenen Ohrhörer. Bei Einstecken des Stereo-Klinken-Steckers in die Buchse schaltet der Lautsprecher ab.

Empfehlenswert ist es -wegen mangelnder Abstimmfrequenzanzeige –, sich eine Frequenzskala für die verschiedenen Empfangsbänder anzufertigen. Man „eicht“ sozusagen den Empfänger ein einziges Mal, indem man die Empfangsfrequenzen auf einer Linearskala von 1–10 markiert. So erhält man eine Referenztabelle, mittels derer man gesuchte Frequenzen dann relativ schnellfindet und einstellen kann. Ein Muster solch einer Linear–Abstimmskala findet sich hier. Da sich keine Stationen im 60m-Band einfangen ließen, wurde es in der Tabelle nicht vorgesehen.




Das AM-band-I/O-setting erfolgt in hexadezimaler Kodierung der vier AM-Schalt-Ausgänge (4 bit) nach Masse (0). Für die Programmierung der AM-Bänder hat sich der hexadezimale Kodierschalter mit 16 Stellungen, z. B. Fabrikat Lorlin, bestens bewährt. So kann man die Empfangsbänder bequem per Drehknopf vorwählen. Eine Alternative wären vier Mini-Knebelschalter (oder DIP-Schalter), die jeweils einzeln entsprechend des „I/O setting“ für das betreffende Band geschaltet werden müssen. In diesem Fall ist jedoch als Programmieranweisung stets die Tabelle des Herstellers nötig, also ein etwas umständlicheres Verfahren.

Man kann in einfachen Fällen, z. B. bei Verwendung als reines FM–MW–Radio jegliche Programmierung unterlassen, d. h. die I/O – Ausgänge bleiben alle auf „high“, also unbeschaltet. Von Europa abweichende FM-Bereiche stellt man ggf. durchfestes Beschalten der vorgesehenen FM-I/O-Ausgänge nach Masse ein.




Der Radiochip enthält – bis auf die sog. Peripherie – alle nötigen Bauteile, sodass keine weiteren erforderlich sind, um Empfang zu erhalten. Der NF-Ausgangbietet 150 mW an 8 Ohm, was für Zimmerlautstärke völlig ausreicht. Zum Empfang von FM und KW reicht eine Stabantenne von ca. 70 cm völlig aus. Bei KW bringt eine längere Antenne evtl. eine Verbesserung. Für MW-Empfang ist eine Langdraht- oder eine entsprechend den Herstellerangaben dimensionierte Ferritantenne erforderlich. Der Autor verwendete einen Ferritstabmit 10 mm Durchmesser und ca. 115 mm Länge, bewickelt mit 87 Windungen 30x0,03 CuLS („Hochfrequenzlitze“). Damit war halbwegs guter MW-Empfang in den Abend- und Nachtstunden möglich. Allerdings kann die Empfindlichkeit bei MW nicht mit der von analogen Empfängern mit Eingangs-, Oszillator-und ZF-Stufe mithalten. Hier muss man Kompromisse in Kauf nehmen.

Für den geringen Preis von 6–8 € (ebay) bietet der Empfängerchip allerdings Erstaunliches. Wieder  mal sind die Chinesen vorne dran. Wahrscheinlich hat man sich etwas von Silicon Labs aus den USA abgeguckt, die DSP – Empfänger – Chips schon länger anbieten. Beim DSP – Prinzip erübrigen sich Induktivitäten und Filter, was gegenüber herkömmlichen Empfängerkonzepten von großem Vorteil ist.




Der Anschluss des Chips erfolgt über Lötpunkte auf der Mini-Empfängerplatine, die auf dem Drehkondensator aufmontiert ist. Das Auflöten der Drahtverbindungen erfordert etwas Fingerspitzengefühl, eine feine Lötspitze und eine Lupe, damit man nicht unbeabsichtigt Lötbrücken hinterlässt, die die Funktion beeinträchtigen oder gar den Chip beim Betrieb zerstören können. Es empfiehlt sich deshalb, mehrere Stück des Empfängers in China zu bestellen, damit man im Falle gleich Ersatz zur Hand hat. Besonders vorsichtig muss man beim Anschließen der Betriebsspannung vorgehen. Sie darf keinesfalls 4,2Volt überschreiten. Eine Falschpolung zerstört den Chip auf der Stelle unwiderruflich, während das normale Handling auch ohne ESM-Protection am Arbeitsplatz (Vermeidung statischer Aufladung) dem Chip offenbar nichts ausmacht.

Der Autor hat das Radio nach einem Versuchsaufbau auf einer provisorischen Platine auf einer neuen Platine in ein Gehäuse(Strapubox ca. 230 x 120 x 60mm) eingesetzt. Alle Bedienelemente können durch die Frontplatte bzw. durch die obere Halbschale hindurch geführt werden. Sehr empfehlenswert ist, die Anschlüsse vom Chip auf der Platine mit entsprechenden, vorkonfektionierten Platinen-Steck-Verbindern (im Mustergerät vom Fabrikat „econ connect“ PS – Serie) auszuführen und nicht fest auf  der Platine zu verlöten. So kann man den Chip leicht ausbauen, ohne alle Drahtbrücken einzeln auslöten zu müssen.

Ein mit einem LM317 geregeltes Netzteil, das über einen 6V/1,8VA Print-Trafo und nachfolgender Brückenschaltung mit Glättungskondensator gespeist wird, liefert die erforderliche Spannung und reicht leistungsmäßig völlig aus. Eine stromkompensierte Miniaturdrossel von ca. 50 mHy in der Gleichstromzuführung unterdrückt Gleichtaktstörungen, wie sie oft aus dem Netz über den Trafo eingeschleift und z. T. auch vom Gleichrichter erzeugt werden. Wird eine höhere NF-Ausgangsleistung als die vom Chip bereitgestellten 150 mW gewünscht, so ist eine zusätzliche NF-Stufe vorzusehen. Das Netzteil ist dann entsprechend der geforderten Leistung anzupassen. Ein geeigneter NF-Leistungsverstärker für niedrige Versorgungsspannungen ist z. B. der TDA2822M.




Bei sorgfältiger Planung und Konstruktion wird man sich an einem zwar einfachen, aber doch erstaunlich leistungsfähigen kleinen Empfänger erfreuen, der vor allem den Kurzwellenfreunden viel Freude bereiten wird.

Verwendete Software:
Schaltplan: splan7.0 (abacom)
Platinenlayout: sprint-layout 5.0(abacom)

©W. Mews,Mai2018




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