
Stereo-Raumklang mit dem TDA3810
von Alexander Electronicfox Fuchs
Als in den 1980er Jahren Stereo-Klang immer populärer wurde, war es
manchmal kaum möglich, seine Lautsprecherboxen im richtigen Abstand
aufzustellen, schon gar nicht als Kompaktgerät, welche in dieser Zeit
stark vertreten waren. Als Abhilfe wurden Schaltungen zur sogenannten
Stereo-Basisverbreiterung eingesetzt, die sich diverser elektronischer
Tricks bedienten um den wahrgenommenen Raumklang zu verbessern. Eine
beliebte Methode war es, das Differenzsignal zwischen Linken und
Rechten Kanal zu bestimmen und dieses dem Rechten und Linken Kanal
zusätzlich beizumischen. Statt also auf eine möglichst gute Trennung
zwischen Linken und rechtem Kanal zu achten, wurde absichtlich ein
L-R/R-L-Übersprechen erzeugt.
Das funktionierte sehr gut mit Transistoren, aber auch mit
Operationsverstärkern. Der Nachteil waren die großen Platinen, da es
damals kaum Fertigteile gab. Hinzu wurden auch viele alten LPs und
Spulenbänder gehört und die Nachfrage, diese Mono-Aufnahmen in
Stereo-ähnlicher Qualität hören zu können, stieg an. Auch hier wurde
viel getüftelt und entwickelt, aber der Aufbau blieb trotzdem groß. Für
diesen Zweck wurde der TDA3810 entwickelt, welcher im Wesentlichen die
oben genannten Elemente und mehr Extras enthält. Mit diesem IC war es
möglich, Stereo-Raumklang und Pseudo-Stereo zu erzeugen. Valvo-Philips
war ein Meilenstein der nächsten HiFi-Generation gelungen.
Der TDA3810 wurde danach in vielen Geräten verbaut, vor allem in
Farbfernsehgeräten. Viele Länder boten in den 1980ern hauptsächlich
Mono-TV-Übertagungen an und der TDA3810 konnte aufgrund seiner
Pseudo-Stereo-Schaltung aus Mono einen Stereo-ähnlichen Klang zaubern.
Allerdings funktionierte dies bei den meisten Geräten zu Beginn
überhaupt nicht. Man begann zu behaupten, dass der neue Halbleiter
schuldig sei und es nicht möglich ist aus Mono Stereo zu zaubern. Der
IC begann unbeliebter zu werden und die TV-Hersteller begannen selbst
eigene Schaltungen zu entwickeln.Siemens entwickelte seinen TDA6200 und
ist steuerungsmäßig zum TBA130 passend, und beide konnte man mit
I²C-Signalen ansteuern. Der TDA6200 bot zusätzlich noch zusätzlich
einen Klangregler und Anzeigen für Zweikanalton und Stereoanzeige an,
benötigte dafür allerdings zusätzlich den TDA6600 zur Auswertung der
Signale. Philips selbst zweifelte selbst am TDA3810 und entwickelte den
TDA8420, mit ähnlichen Funktionen wie die von Siemens. Den TDA3810
verschoben sie in den Hobbybastlerbereich zu Spottpreisen.Die
Hobbybastler versuchten es, und das Leiden mit dem TDA3810 ging weiter.
Auch hier gab es die oben genannten Probleme mit dem IC. Viele
empfanden besonders die Pseudo-Stereo-Schaltung dermaßen abstoßend,
dass der IC kaum noch verwendet wurde. An allen soll der TDA3810 schuld
sein, denn man hätte alles genau nach Datenblatt aufgebaut.
2003 begann ich meine Lehre als Radio-/Fernsehtechniker und hatte viele
TV-Geräte repariert. Eines Tages bekam ich einen Philips TV Royal mit
66cm-Bildröhre hingestellt. War ein tolles Gerät mit schweren
Massivholzgehäuse und 6 Lautsprechern, LED-Anzeige, Frontbedienteil und
zeige optisch mit LEDs alles an, was er konnte. Defekt an dem Fernseher
war nur der PTC für die Entmagnetisierung, und ich machte natürlich
einen Testlauf. Zu diesem Zeitpunkt lief MTV und Eurosport. MTV
natürlich in Stereo und Eurosport in Zweikanalton. Ich konnte da einmal
die Soundfunktionen testen und war überrascht wie gut der Klang
war. Auf Eurosport lief eine Offroad-Ralley, ich schaltete auf
Pseudo-Stereo, und das akustische Rennsporterlebnis war hinreißend. Man
glaubte fast live dabei zu sein. Da das Gerät noch geöffnet war,
schaute ich neugierig auf die rechte Seitenwand von hinten rein und
entdeckte einige ICs auf der Soundplatte. Diese waren 2 TDA1520, 1
TDA1524, 1 HEF4016 und ein TDA3810. Mit Erlaubnis des Meisters durfte
ich mir das Schaltbild vom Gerät kopieren und für Lehrzwecke auch
gleich mit passenden Halbleitern nachhause mitnehmen. Statt den 2
TDA1520, nahm ich den TDA4935 als Endstufe, der war genauso gut zu
gebrauchen. Nach Tagen des Aufbauens auf Lochraster kam der große Test
und er lief gut. Der Klang war fast so gut wie im Fernseher, Ich musste
allerdings Abstriche machen, weil mein Bastelgehäuse nicht
Klang-optimiert war, aber der Erfolg war gegeben.
Auf dem Flohmarkt fand ich ein Philips-Datenbuch aus dem Jahr 1985, in
dem sich das Datenblatt des TDA3810 befand. Mir fiel auf, dass nicht
nur die Applikation anders als im Fernseher war, sondern auch die
Anschlüsse. Ich baute aus Neugier die Applikation nach und war
enttäuscht. Nur Kratzen und Pfeifen kam aus den Lautsprechern, die
TV-Schaltung selbst lief problemlos. Ich schaute mir das
Innenschaltbild des TDA3810 an und dann viel mir auf, dass Pins
vertauscht sind. Ich strickte Pin 3 und 5 um und siehe da, es
funktionierte. Es war anscheinend ein Fehler im Datenblatt vorhanden
und vielen nicht aufgefallen.
Jahre vergingen, und irgendwann fand ich einen Beitrag in einem
Elektronikforum, wo sich jemand über den TDA3810 beschwerte und meinte,
dieser würde nicht funktionieren. Vor allem die Pseudo-Stereo-Schaltung
sei betroffen. Ich stellte ihm die Frage ob er alles richtig aufgebaut
hat und bekam die Antwort. Er hatte alles nach Datenblatt aufgebaut und
mehrmals kontrolliert. Ich lud meine korrigierte Schaltung hoch und bat
ihm, diese Schaltung aufzubauen, und die funktionierte ohne Probleme.
Zusätzlich habe ich auch noch die Schaltung vom Philips-Fernseher
gepostet und diese wurde von vielen nachgebaut. Nun fragte ich mich, ob
außer bei mir der Fehler im Datenblatt auch schon aufgefallen ist und
suchte Schaltungen des TDA3810 zusammen. Das Ergebnis war erschreckend.
Alle damals gefundene Hobbyschaltungen im Internet wurden 1:1 nach
Datenblatt aufgebaut und jeder schwor, die Schaltung sei die beste und
wurden auf Herz und Nieren geprüft. Dabei fielen keinem der
schwerwiegende Fehler der Pseudo-Stereo-Schaltung auf. Das schlimme
daran, sogar Bausätze mit dem Datenblattnachbau wurden gefunden mit
angeblich besten Testergebnissen.
Nach einigen Jahren fielen mir wieder ein paar TDA3810 in die Hände und
wollte etwas experimentieren. Man könnte doch die Schaltung etwas ändern, um mehr heraus zu holen. Dabei entstand folgende Schaltung.
Diese Schaltung geht auf die Sonorama-Schaltung zurück, welche ich in
diskreter Aufbauform in einem ITT-TV-Gerät gefunden hatte. Auch dieser
Sound war gut mit einem etwas anderen Klangausdruck. Sprache und
Umgebungsgeräusche waren besser hörbar im Pseudo-Stereo-Bereich,
allerdings nannte ITT diese Klangeinstellung Sonorama. ITT benutzte
diese sogar im Stereo-Bereich und wurde als Sonorama Studio bezeichnet.
Man konnte die Schaltung leicht mit einem TDA3810 aufbauen und es klang
sogar noch besser. Eventuell hat der TDA3810 die besseren
Induktivitäts- und Kapazitätswerte. Bei SONORAMA existiert nur ein
einziger Monokanal am Eingang und zwei Kanäle am Ausgang. Das
Monosignal wird in drei Signalwege aufgeteilt. MONO geht direkt auf den
Linken Kanal. Ein Weg passiert einen zweifachen Sperrfilter. Zuerst
einen mit 240 Hz,danach einen mit 1,5 kHz. Der letzte Weg passiert
einen Hochpassfilter und wird mit demSignalweg nach den Sperrfiltern
gemischt, verstärkt und am Ausgang erhält man den rechten Kanal.
Dadurch kommt auch bei MONO ein STEREO-ähnliches Klangbild zustande.
Bei SONORAMA-STUDIO existieren am Eingang Stereokanäle, welche durch
dieses Verfahren, das nun folgt, eine schöne Studioqualität erzeugen
kann. Die Funktion ist dem SONORAMA ähnlich. Zum einen werden zuerst
der linke und der rechte Kanal zusammengemischt. Aus der Summe geht es
weiter zu den Sperrfiltern mit 240 Hz und 1,5 kHz. Der Linke Kanal
passiert zwei Wege, einmal direkt zum linken Ausgang und einmal zu
einem Hochpassfilter. Das Signal nach dem Filter wird mit dem Signal
von den Sperrfiltern gemischt und als rechter Kanal Verwendung findet.
Der Klang ist besser als Raumklang.
Der Spatial-Raumklang erklärt sich von selbst und soll nur einen
Surround-Sound-ähnlichen 3D-Sound erzeugen. Aber auch dieser kann
verbessert werden, wenn man zusätzliche Bauteile verwendet und
Miller-Integratoren einsetzt. Als Millereffekt wird die effektive
Vergrößerung der parasitären Kapazität zwischen Ausgang und
invertierendem Eingang eines Spannungsverstärkers bezeichnet. Dieser
Effekt ist meist störend, kann aber auch zum Erzeugen größerer
effektiver Kapazitätswerte vorteilhaft verwendet werden. Um einen
Spannungsverstärker mit Transistoren zu realisieren, verwendet man die
Emitterschaltung, welche invertierend arbeitet. Zwischen den
Anschlüssen der Transistoren existieren immer parasitäre Kapazitäten,
wie beispielsweise die Kollektor-Basis-Kapazität CCB beim
Bipolartransistor, sodass auch hier der Millereffekt auftritt.
Ich nutzte den Miller-Effekt bewusst aus um den optimalen Raumklang mit
dem TDA3810 erzeugen zu können. Zudem verpasste ich der Schaltung
passend den Namen Sonosurround. Die Schaltung benötigt zwar mehr
Bauteile aber der Raumklang ist optimal und selbststeuernd. Er passt
sich automatisch den linken und rechten Kanal an und verschiebt
dementsprechend die Laufzeitkurve der jeweiligen Frequenz. Dazu dienen
die Transistoren T1 und T2, welche ähnlich wie Kapazitätsdioden
arbeiten. Das heißt die Steuerspannung verschiebt die Kapazität, in
diesem Fall zwischen 20 nF und 40 nF. Dementsprechend verschiebt sich auch
die Frequenz des Phasenschiebers, welcher mit 2 Operationsverstärkern
in IC2 aufbaut ist. Der Ausgang der Phasenschieber greift aktiv in die
Raumklangschaltung ein und ändert dadurch die Raumordnung. Die
Steuerspannung gewinnt man durch die Ansteuerung der linken und rechten
Ausgänge. Auch die gemischte Ausgangssignalspannung für den
Phasenschieber erhält man dort. Hier noch die Schaltung dazu. Die Schaltung mit dem
CMOS 4053 dient nur zur Steuerung der Eingangssignale und der Rest
entspricht weitgehend der Schaltung weiter oben.
Ich glaube, der
TDA3810 hätte richtig was werden können, wenn nicht dieser kleine
Fehler im Datenblatt gewesen wäre oder Philips damals wenigstens einen
Hinweis auf den Fehler erwähnt hätte. Eventuell fiel der Fehler Philips
nicht auf, erklärt aber die richtige Schaltung im Philips-TV-Gerät
nicht. Aber wichtig ist es, den Datenblättern nicht 100%ig zu
vertrauen und blindlings alles nur stur nachzubauen.
http://electronicfox.at
https://www.youtube.com/@electronicfox