Das Elektronik-Experiment der Woche - Vierpolmessungen


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Bauteile des Lernpakets Grundschaltungen der Elektronik

Weiter geht es mit Vierpolmessungen mit dem kleinen Messplatz auf der Basis des ATtiny85. Ein Vierpol hat zwei Anschlüsse am Eingang und zwei Anschlüsse am Ausgang, wobei sich Ein- und Ausgang einen gemeinsamen Massepin teilen können. Man gibt ein bekanntes Signal auf den Eingang und betrachtet den Spannungsverlauf am Ausgang. Für rein statische Messungen kann man eine ansteigende Spannung wie bei der Zweipol-Kennlinienmessung verwenden. Wenn die zu untersuchende Schaltung sich bei unterschiedlichen Frequenzen anders verhält, nimmt man ein Sinus- oder Rechtecksignal oder eine andere Signalform.



Die Messungen werden mit dem Tiny85-Kennlinienschreiber durchgeführt.


13.16.17: Messung  6

Video: https://youtu.be/JHMQM2vG5-M


Bei diesem Versuch wurden manuell Rechtecksignale mit unterschiedlicher Spannung erzeugt. Das Oszillogramm zeigt das Signal am Ausgang des Vierpols. Wer solche Kurven schon einmal gesehen hat, erkennt gleich die Funktion der Schaltung. Und man kann sogar auswerten, welche Bauteile daran beteiligt sind.

Daher also die Frage: Was wurde hier untersucht? Ich bitte wieder um Lösungsvorschläge, am besten als Kommentar in Youtube oder per Email an mich.



Die Lösung

Viele haben die richtige Lösung gefunden. Danke fürs Mitmachen! Untersucht wurde ein Tiefpassfilter mit 330 kOhm und 10 µF. Daraus erfibt sich eine Zeitkonstatante von 3,3 s, die man  etwa so aus den Messungen ablesen kann. Weil es nur Kondensatoren mit 10 µF auf der Paltine gibt, kam auch kein anderer Widerstand in Betracht.

Das Rechtecksignal wurde hier "per Hand" mit dem PWM-Schieber erzeugt, sodass unterscheidliche Spannungen möglich waren. Ein Schalttransistor war nicht beteiligt, obwohl das möglich gewesen wäre. Effektiv waren nur drei Kabel im Einsatz: Eingaqng, Masse und Ausgang. Die VCC-Leitung wurde  hier nicht benötigt.










20.10.17: Messung 7




Video: https://youtu.be/1UolzHAs2pk

Diesmal wurde auch die Betriebsspannung von +5V eingesetzt. Bei steigener Spannung am Eingang des Vierpols sinkt die Ausgangsspannung. Was wurde hier untersucht?


Dieter Drewanz schrieb:

Hier die Lösung mit qucs simuliert. Ob genau die gleiche Kurve sich ergibt, hängt jedoch stark von der Streuung der Bauteile, hier insbesondere der Stromverstärkung des Transistors ab.





Ansonsten gäbe es noch Varianten mit dem falsch herum eingebauten Transistor (CE vertauscht) mit dem 27k 10k und dem 1k 2,2k Widerstand.  

Die Lösung:



Tatsächlich war es eine Emitterstufe mit 330 k an der Basis und 1 k am Kollektor.  Weil erst deutlich über 0,5 V am Eingang überhaupt ein Basisstrom fließt, beginnt die Kurve erst ab ca. 0,7 V. Im Bereich 1 V bis 4 V am Eingang hat man praktisch eine Gerade. Die Ausgangsspannung ändert sich hier zwischen 4,4 V und 1,7 V, also um 2,7 V. Die Spannungsverstärkung ist also 2,7 V/3 V = 0,9 (rund 1).  Allgemein gilt: Spannungsverstärkung = Stromverstärkung * Kollektorwiderstand/ Basiswiderstand.  

Im Kapitel 6.2 wurde ja die Stromverstärkung eines Transistors mit 485 bestimmt. Sie schwankt aber sehr und sollte nicht kleiner als 420 sein. Wenn die Spannungsverstärkung mit rund 1 angenommen wird, müsste das Verhältnis Basiswiderstand /Kollektorwiderstand also bei rund 400 liegen. Was da am nächsten herankommt ist das Verhältnis 330 mit den Widerständen 330 k und 1 k.

Umgekehrt kann man auch mit dieser Messung die Stromverstärkung des Transistors genauer berechnen. Stromverstärkung = Spannungsverstärkung * Basiswiderstand / Kollektorwiderstand = 0,9*330 k/ 1 k = 297, also rund 300-fach. Das ist für einen C-Typ eigentlich etwas zu wenig, wurde aber bei mehreren Messungen bestätigt. Zum Vergleich: In der Simulation von Dieter Drewanz fällt die Kollektorspannung deutlich steiler ab, vor allem, weil er einen Kollektorwiderstand von 2,2 k verwendet hat. Die Stromverstärkung des simulierten Transistors liegt bei etwa 210.

Übrigens ist die Vermutung korrekt, dass es auch hätte anders sein können: Ein invertierter Transistor hat eine sehr viel geringere Stromverstärkung, die noch weniger genau bekannt ist. Mit einem kleineren Basiswiderstand könnte zufällig genau dieselbe Übertragungskennlinie entstehen.

Das nächste Elektronik-Rätsel wird noch viel schwieriger und ist überhaupt nur zu lösen, wenn man diese Messung gut verstanden hat. 



Nachtrag: Stromabhängigkeit der Stromverstärkung von Norbert Renz

Wie die Messung zur Aufgabe 7 zeigt, ist die Ausgangsspannung deutlich nichtlinear. Das hängt u.A. von der starken Abhängigkeit der Stromverstärkung des Transistors vom Kollektorstrom ab. Siehe Bild 1 mit darübergelegter Gerade.




 
Bei der präsentierten Simulation zeigt sich dagegen eine fast perfekte Linearität. Siehe Bild 2 mit Gerade als Vergleich. Das liegt daran, dass die Modelle in einfachen Simulatoren recht einfache Modelle hinterlegt haben. Es handelt sich hier nicht um Toleranzen in der Stromverstärkung, sondern um innewohnende Eigenschaften des Bauteils, die nicht korrekt modelliert ist.


 
Das Verhalten der Stromverstärkung eines realen Transistors ist beispielhaft an einem Kleinsignaltypen in Bild 3 gezeigt.



Es ist generell gefährlich Simulationen blind zu vertrauen. Sie dienen lediglich der Vereinfachung der Berechnungen in komplexen Systemen. Sie können jedoch nicht die Verantwortung des Designers übernehmen. Die letzte Simulaton beim Mickey-Mouse Verstärker (vgl. Labortagebuch 13.9.17: Der Mickymaus-Abhörspion und Schaltungstechnik: Untersuchung eines Mikrofonverstärkers) hatte bereits gezeigt, dass die Resultate mit Vorsicht zu genießen sind.
 
Sehr gute Artikel über Simulationen hat der leider bereits verstorbene Robert Pease hinterlassen. Hier ein lehrreicher Link:
http://www.electronicdesign.com/analog-amp-mixed-signal/what-did-bob-pease-emreallyem-think-about-spice

Nachtrag von B.Kainka

Das könnte auch erklären, warum die Stromverstärkung geringer erscheint als sie sein sollte. Ich muss gestehen, dass ich immer dazu neige, die Stromabhängigkeit des Verstärkungsfaktors zu vernachlässigen. Deshalb habe ich auch die Abweichung von der Geraden im Diagramm komplett übersehen. Die Abweichungen sind besonders gravierend bei sehr kleinen Strömen unter 1 µA, die in der ersten Stufe einer Darlington-Schaltung auftreten können. Dazu kommt noch, dass die Datenblätter die Stromverstärkung immer bei einer Kollektorspannung von 10 V angeben. Bei sehr kleinen Spannungen ist sie geringer.

Andererseits sind solche Vereinfachungen sinnvoll, weil sie es ermöglichen, eine Schaltung im schnellen Überblick zu betrachten. Bei einer Schaltung mit Basis-Kollektorwiderstand zur Gegenkopplung und Einstellung des Arbeitspunks hilft z.B. die Faustregel: Basiswiderstand = Kollektorwiderstand * Stromverstärkungsfaktor. Passt immer so ungefähr und meist auch ausreichend genau, obwohl eine genauere Betrachtung auch noch die Basis-Emitterspannung, die Betriebsspannung und einiges mehr einbeziehen müsste. Die Vereinfachung hilft auch, bestehende Schaltungen schnell zu überblicken oder Messergebnisse über den Daumen gepeilt zu interpretieren.




20.10.17: Messung 8


Video: https://youtu.be/V7Uu_LYMeZw

Und was wurde diesmal gemessen? Kleiner Tipp: Beteiligt war derselbe NPN-Transisior wie bei der letzten Messung.

Simulierte Lösung von  Dieter Drewanz



Hier eine simulierte Lösung zum Rätsel 08. Auch hier wirken sich die Streuungen des Verstärkungsfaktors aus, so dass die Knickstellen etwas unterschiedlich zu Ihrer Messung liegen. Die erste Simulation scheiterte im ersten Abschnitt und die Spannungen erscheinen zu hoch. Der Grund für diese Abweichungen liegt an sehr kleinen Kriechströmen durch den Transistor im gesperrten Zustand, wobei jedoch die LED (älterer LED-Typ mit etwas niedrigeren Durchlassspannungen) einen im Verhältnis deutlich größeren Kriechstrom aufweist. Der Widerstand R3_Messwid gleicht dies aus und sorgt für einen genügend großen Leckstrom, so dass der notwendige Spannungsabfall über der LED entsteht.



Ein Messgerät mit einem Innenwiderstand von 1 bis 2 MOhm gegen Masse (hier Minuspol) erfüllt diesen Zweck ebenfalls. Darum wurde dieser Widerstand auch R3_Messwid genannt und wurde entsprechend in die Simulation eingebaut. Würde man hier mit einem Messgerät die Spannung zwischen Plusspannung und Kollektor messen um daraus die Spannung gegenüber Masse zu berechnen, dann würde man nicht auf den Lösungsverlauf des Diagramms kommen und vielleicht auch verzweifeln. Die Schaltung des Rätsels 08 eignet sich daher sehr gut aufzuzeigen, wie leicht es passieren kann, mit einer Simulation ganz schön daneben zu liegen.

Die Lösung:

Dieter Drewanz hat es richtig erkannt: Es war wieder eine Emittershaltung mit 330 k am Eingang. Aber diesmal  lag im Kollektorkreis die grüne LED mit ihrem Vorwiderstand von 2,2 k. Im geraden Teil der Übertragungskennnlinie findet man eine Spannungsverstärkung mit dem Faktor 3, die durch den höheren Arbeitswiderstand zustande kommt.



Üblicherweise beginnt der Transistor ab etwa 0,5 V zu arbeiten, was auch die Simulation zeigt. In der realen Messung beginnt es aber schon bei einer Basisspannung von 0,25 V.  Bei den Messungen im Kap. 4.6 des Lernpakets wurde gemessen, dass bei einer Basisspannung von 450 mV ein Kollektorstrom von 1 µA fließt. Jeweils 20 mV weniger halbieren den Kollektorstrom. Bei 250 mV kommt man daher auf einen Kollektorstrom von etwa 1 nA.  Bei diesem Strom hat die LED offensichtlich eine Spannung von 1,5 V. Ein übliches Messgerät mit einem Innenwiderstand von 10 MOhm würde schon einen Strom von fast einem µA verursachen. Dann würde die Verstärkung erst bei einer Basisspannung von etwa 0,5 V beginnen, wie die Simulation deutlich zeigt. Der Messeingang des ATtiny85 hat aber einen fast unendlich großen Eingangswiderstand, der mit der Messfrequenz sinkt. In diesem Fall liegt er bei rund 10 Gigaohm und belastet das Messobjekt mit unter 1 nA.

Was auffällt ist die Krümmung der Übertragungskennlinie im Bereich 0,25 V bis 0,5 V der Basisspannung. Hier ändert sich der Arbeitswiderstand sehr stark in Abhängigkeit von der Stromstärke. Die LED ist bei 1 nA noch extrem hochohmig, aber ihr Widerstand sinkt mit dem Strom stark ab. Die zweite Simulation ohne Belastung durch das Messgerät zeigt eine ähnliche Krümmung in diesem Bereich. Die exponentielle Kennlinie einer Diode erlaubt Messungen bis in den Bereich Picoampere (vgl.  Logarithmisches Pico-Amperemeter).


3.11.17: Messung 9




Video: https://youtu.be/E_h1ptBfyKA


Dies ist die vorerst letzte Vierpolmessung in dieser Versuchsreihe. Wer löst das Rätsel?


Simulierte Lösung von  Dieter Drewanz




Die Steigung mit den simulierten Transistoren ließ anfangs etwas zu wünschen übrig. Um dies zu verbessern musste ich die Schrittweite etwas kleiner wählen. Etwas mit den Widerständen musste ich experimentieren um den Beginn der Steigung ungefähr zu erreichen. Nebenbei war dabei zu berücksichtigen, dass einige Bauteile bereits verbunden sind.

Die Auflösung:



Die etwas angehobene Eingangsschwelle wurde durch den großen Widerstand von 330 k erreicht. Ein Vergleich mit der Messung 8 zeigt: Bei 1,25 V am Eingang lag gerade 0,5 V am Kollektor. Das entspricht der Basisschwelle der zweiten Stufe. Die simulierte Lösung von  Dieter Drewanz zeigt den üblichen Weg mit einem Eingangs-Spannungsteiler, wenn man die Eingangsschwelle angeben will. So kann man die gleiche Übertragungskennlinie erreichen, wie die Simulation anschaulich zeigt.

Ich danke allen, die sich an diesen Elektronik-Rätzeln abgearbeitet haben. Und ich hoffe, dass die gesammelten Erfahrungen bei künftigen Gelegenheiten helfen werden, sei es bei der Fehlersuche, bei der Analyse unbekannter Geräte und Schaltungen oder bei der Entwicklung eigener Projekte.


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