Ungeplante Obsoleszenz
Mein
Freund versorgt mich mit Schrott um daraus elektronische Bauteile zu
gewinnen. Unter anderem auch zwei Autoradios eines namhaften jap.
Herstellers von Weltruf aus denen ich die Zwischenfrequenzfilter mit
450 kHz gewann, die ich für ein Hofer Weltradio brauchte, da die
Originalbestückung, weil billig, sehr schlechte Selektionswerte hatte.
Einen starken KW-Sender konnte man über +- 20 kHz hören. Nach Umbau war
sogar der Nachbarkanal noch hörbar. Erst hatte ich nur ein 460 kHz
Filter zur Verfügung, sodass im KW-Bereich die Frequenzanzeige 10 kHz
falsch war und im MW Bereich mit 9 kHz Kanalraster waren nur wenige
Sender richtig zu empfangen. 450 kHz Filter sind in Europa selten zu
haben. Nun gut, alle 2 Hofer Weltempfänger sind nun tadellos zu
gebrauchen.
Natürlich habe ich nachgeforscht warum diese Radios
im Müll landeten. Bei beiden Radios hatten Zahnräder für den
Kassetteneinzug einige Zähne verloren.
Das Schneckenrad liegt daneben
So ein Zahnrad kostet höchstens 1 Eurocent und schon hat man mehr als 100 Euro verloren. 1:10000 ist das Verhältnis.
Falsche
Materialwahl kommt nicht so selten vor. Ich bin überzeugt, dass dies
keine beabsichtigte Obsoleszenz ist. Der Konstrukteur hat so einem
billigen Teil zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Bei der Versorgung von
CPUs für Computer kenne ich einige Firmen, wo es ähnlich zuging.
Geplatzte Elkos sind die Folge und daraus resultierend Ausfall des
gesamten Produktes. Aber hier könnte Obsoleszenz mitgespielt haben.
Bei
den Autoradios ist die Elektronik übrigens ausgezeichnet
produktionsgerecht entwickelt. Teile haben Auffangflächen für das Zinn,
wenn die Printplatte die Lötwelle verlässt. Bei SMD Bauteilen, wo das
nicht möglich war, sieht man an der ablaufenden Bauteilseite, im Bild
unten, zu viel Zinn, was nicht “state of the art” ist. Ebenfalls fällt
auf, dass 2 Lötstellen offenbar repariert wurden, da auch auf der linken
Seite zu viel Zinn vorhanden ist.
Wir haben das Zinndiebe genannt. Im unteren Bild sind die Zinndiebe deutlicher zu sehen.
Beide
Radios waren autoreverse Geräte, wie das Bild der Tonköpfe zeigt, also
nicht billig. Übrigens sind die mitintegrierten Bandführungen zu sehen.
Dies zeigt u.a. den hohen Stand der Philosophie für die
Rationalisierung in der Fertigung.
Nachtrag: Geplante Obsoleszenz, von Burkhard Kainka
Geplant
oder ungeplant, das ist die Frage. Es gibt inzwischen einige Fälle von
bewiesener geplanter Obsoleszenz. Beispiel: das 100-jährige
Glühlampen-Kartell. Es gab eine heimliche Übereinkunft, dass keine
Glühlampe länger als 1000 Stunden halten sollte. Wenn ein Hersteller
bessere Lampen baute schickten ihm die anderen ein paar Männer mit
Hämmern.
Umgekehrt: Wenn eine Firma zu langlebig baut, wird sie
hoch gelobt und kommt dann in wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Beispiel: Mein Hameg-Oszilloskop lebt einfach ewig, deshalb brauche ich
kein neues. Und deshalb gibt es solche schönen analogen Geräte auch
nicht mehr.
Über andere Fälle vermutlich geplanter
Kurzlebigkeit bin ich selbst schon gestolpert. Das ging es
um Plastik-Zahnräder in Spielzeugen und immer wieder um fest
eingebaute Akkus z.B. in Elektrozahnbürsten. Auch Energiesparlampen und
LED-Lampen habe ich in Verdacht. Die neue Masche ist, dass man 2000
oder 10000 Betriebsstunden draufschreibt, aber sie halten nicht mal
500 Stunden. So sind alle zufrieden, der Kunde denkt, die Lampe
ist besonders langlebig, der Ausfall ist dann ein bedauerlicher
Einzelfall, und eine Statistik gibt es nicht.
Ich stelle mir
das nicht so vor, als würden alle unter einer Decke stecken. Manch ein
Chef weiß ganz genau, dem Ingenieur Soundso brauche ich gar nicht damit
kommen, dann schmeißt er mich gleich raus. In der Zahnradabteilung darf
der nicht arbeiten! Vielleicht gibt es andere, die ein offenes Ohr
für die Sache haben: Wenn dieses Produkt ewig hält, blockiert das den
Fortschritt. Man muss den Kunden einen positiven Anstoß geben, dass er
einsieht, dass neue Geräte besser sind. Am einfachsten geht das
mit einem zu schwachen Elko in einem Schaltnetzteil. Da kann man gut
ausrechnen, wann der kaputt geht. Kurz nach der Garantiezeit wäre
ideal!
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Geplante_Obsoleszenz