Kürzlich kam unter meinen Funkkollegen
das Gespräch auf Oszilloskope. Jeder von ihnen hat eins, aber sie
kommen kaum zum Einsatz, nur für besondere Fälle. Aber dann scheitert
der Einsatz oft daran, dass alles sehr ungewohnt ist. Wir haben die
Typen vergleichen, und es waren durchgehend etwas ältere, analoge
Oszilloskope. Ich habe erzählt, dass mein analoges Oszilloskop während
der Arbeit an irgendwelchen Schaltungen immer an ist und laufend zum
Einsatz kommt. Ich verwende es sogar als Voltmeter, denn das
Digitalmultimeter müsste ich erst einschalten, aber das Oszi ist schon
bereit. Da kam die Idee auf, dass man den ganz normalen Einsatz des
eigenen Geräts mal trainieren sollte. Hier soll es zuerst nur um
analoge Oszilloskope gehen, weil der Einsatz einfach ist, und weil auch
eine Einsteiger leicht an ein gebrauchtes Gerät kommt.
Als Grundeinstellung verwende ich meist nur einen Kanal mit einer
Ablenkgeschwindigkeit von 1 ms/cm (1 ms/Skalenteil, 1 ms/div). Von
links nach rechts hat man dann 10 Millisekunden. Die Empfindlichkeit
ist auf 0,1 V/cm eingestellt also auf 1 V/cm, wenn der Tastkopf auf
1:10 eingestellt ist. Die helle Linie stelle ich meist an den unteren
Rand, dann reicht der Messbereich von 0 V bis +8V. Wenn aber auch
negative Spannungen oder Wechselspannungen vorkommen können, stelle ich
die Nulllinie in die Mitte. Der Messbereich reicht dann von -4 V bis +
4V. Die Triggerung ist ausgeschaltet, freilaufender Betrieb. Falls ich
überhaupt nichts sehe, könnten folgende Probleme vorliegen: Y-Position
außerhalb des Anzeigebereichs gestellt, Triggerung aktiv, Helligkeit
ganz zurück gedreht. Es lohnt sich, die verschiedenen Bedienelemente
durchzutesten, bis man alles sicher im Griff hat.
Hier wird die Spannung einer Batteriezelle gemessen,
Der Minuspol des Batteriefachs wurde mit dem Masseanschluss der
Messspitze verbunden, und der Tastkopf mit aufgesetztem Greifer mit dem
internen Anschluss des Batteriefachs. Die Linie geht um 1,5 cm hoch,
die Spannung ist also 1,5 V. Mit umgedrehter Batterie findet man -1,5
V.
Viele Geräte haben ein Ausgangssignal zur Kalibrierung. Der
Cal-Anschluss bei meinem HM204 liefert Rechtecksignale von 0,2 V. Die
Frequenz scheint bei ca. 1 kHz zu liegen, denn eine vollständige
Schwingung dauert 1 ms. Das Signal ist auf dem Bildschirm sehr klein.
Außerdem hat man kein stehendes Bild, sondern es läuft über den Schirm.
Das ist also ein idealer Übungsfall. Man stellt die Triggerung passend
ein, erhöht die Empfindlichkeit, stellt die Nulllinie ein und ändert
die Ablenkzeit, bis man alles optimal sehen kann.
Das Oszi wurde jetzt auf 5 mV, 0,2 ms und Triggerung auf die
negative Flanke eingestellt: Bei meinem Gerät musste ich dazu den
LEVEL-Knopf herausziehen und so drehen, dass der Triggerlevel im
passenden Bereich liegt und ein stehendes Bild erscheint. Jetzt kann
ich alles gut ablesen. Die Amplitude ist 4 * 5 mV * 10 = 200 mV und die
Periode ist 0,2 ms * 5,5 = 1,1 ms. Aber jetzt wird noch ein anderes
Problem sichtbar: Das Rechtecksignal ist verzerrt, weil der
Frequenzgang des Kabels nicht stimmt. Dazu gibt es einen Trimmer an der
Messspitze oder wie in meinem Fall am BNC-Stecker des Kabels.
Damit wurde ein gerader Frequenzgang für den Spannungsteiler 1:10
korrigert. Bei abgeschaltetem Abschwächer, ist der Frequenzgang im
Oszilloskop schon korrekt eingestellt. Der Spannungsteiler 1:10 ist
aber meine Standardeinstellung, weil die Messspitze dann nicht nur
einen Eingangswiderstand von 1 MOhm hat wie das Oszilloskop allein,
sondern 10 MOhm, was das Messobjekt weniger belastet. Außerdem ist
das Oszilloskop so besser gegen zu hohe Messspannungen geschützt
Hier sieht man einen "normalen" Einsatz des Oszilloskops bei der
Untersuchung einer Schaltung. Es handelt sich um einen Rpi Pico, der
eine Glühlampe über einen Treibertransistor blinken lässt und
gleichzeitig überwacht. Der Masseanschluss des Messkabels ist fest an
die die GND-Schiene des Controllers geklemmt. Mit der Messspitze kann
ich dann alle Messpunkte abtasten. Die Einstellung des Oszis waren die
Grundeinstellungen mit 100 mV/cm, Tastspitze mit 1:10-Vorteiler und 1
ms/cm, Nulllinie ganz unten. Der Controller wurde mit einem Li-Akku
versorgt. Die Tastspitze liegt gerade am Versorgungsanschluss. Die
Spannung ist offensichtlich 4 V.
Aber mit dem Oszilloskop erhält man auch Antworten auf Fragen, die
man zu stellen vergessen hatte. In diesem Fall konnte ich sehen, dass
die Spannung in den AN-Phasen der Glühlampe immer um 0,2 V einbricht.
Bei einem Lampenstrom von rund 100 mA bedeutet das, dass der
Innenwiderstand der Stromquelle anscheinend 2 Ohm beträgt. Eine
Vergleichsmessung direkt kam Li-Akku zeige dagegen keine
Spannungseinbrüche. Weitere Messungen haben dann gezeigt, dass es
Übergangswiderstände auf der Steckplatine gibt, die insgesamt den
Spannungsabfall von 200 mV verursachen. Bei einer einfachen Messung mit
dem Digitalmultimeter hätte ich das übersehen, weil die Anzeige viel zu
träge ist. Das Oszilloskop hat zwar eine geringere Genauigkeit und
Auflösung, ist dafür aber sehr schnell, was oft ein großer Vorteil ist.
Störsignale
Hier wurde einfach ein Krokokabel an die Messspitze angeschlossen
und auf den Arbeitstisch gelegt. Die Einstellungen waren 10*50 mV/cm
und 1 ms/cm. Was man hier sieht, ist die untere Halbwelle der
Netzspannung, kapazitiv eingekoppelt von Stromkabeln in der Nähe. Die
Amplitude beträgt ca. 1,5 V, die effektive Spannung ist damit ca. 1 V.
Man sieht hier nur eine halbe Halbwelle, weil die gesamte Ablenkzeit 10
ms beträgt und eine volle Welle 1 s/ 50 Hz =20 ms benötigt. Im rechten
Viertel sieht man ausgeprägte Schwingungen, die ihren Ursprung in einer
Leuchtstoffröhre hatten. Wenn man 2 ms/cm einstellt, sieht man die
volle Welle. Noch langsamer geht es auch, dann erkennt man mehrere
Halbwellen. Das ist allerdings nicht leicht zu fotografieren, weil die
Verschlusszeit der Kamera kürzer ist.
Mit einem digitalen Oszilloskop kann man sehr langsame Signale
besser aufzeichnen. Hier wurden mit 5 ms/Skalenteil gleiche mehrere
Vollwellen aufgezeichnet. Man sieht etwas unterschiedliche Störungen
bei den einzelnen Wellen. Die besonderen Schwingungen der
Leuchtstofflampe sind nicht zu sehen, weil sie ausgeschaltet war.
Der Sinus ist stark verbeult. Das kommt von den vielen Gleichrichtern
und Schaltnetzeilen und andern Geräten, die ihre Kondensatoren
impulsartig aufladen und damit stark vom sinusförmigen Verlauf
abweichen. Das mit dem offenen Kabel eingefangene Signal sieht
deshalb so unsauber aus, weil höherfrequente Anteile stärker
eingekoppelt werden. Angenommen, zwischen Netzleitung und Krokokabel
gibt es eine Kapazität von 10 pF. Dann hat dieser Koppelkondensator bei
50 Hz einen kapazitiven Widerstand von 2000 MOm, das ist 200 Mal mehr
als der Innenwiderstand des Messkopfes, Dann müsste man eine Spannung
von 230 V/200 = ca. 1 V finden, was zufällig auch stimmte.
Direkt an der Steckdose würde das Signal viel sauberer aussehen. Ich
vermeide aber solche Messungen an hohen Spannungen. Wer alt genug ist
und es nicht lassen kann, sollte wenigstens noch einen zusätzlichen
Widerstand von 1 MOhm in Reihe legen, um den Strom im Falle eines
Fehlers zu begrenzen.
Mit dem offenen Eingang sind wegen des großen Eingangswiderstands
noch andere Spielereien möglich. Diese Messung entstand mit 200 ms/div,
wobei zehn 50Hz-Schwingungen auf einen Skalenteil kommen. Die
Messspitze wurde mit den Fingern berührt, was zu einer höheren
Messspannung führte, Zusätzlich wurden beide Füße abwechselnd wie
beim Gehen bewegt. Die dabei erzeugten elektrischen Ladungen werden als
zusätzliche Spannungsänderungen sichtbar. Sogar ein Gewitter kann mit
dem Oszilloskop beobachtet werden. Man schließt einen längeren Draht an
und stellt das analoge Oszilloskop so ein, dass eine ganze Welle
der Netzspannung auf dem Bildschirm ein stehendes Bild zeigt. Bei
einem Blitz sieht man dann zusätzliche Spannungsänderungen.
All diese Versuche sind nützlich, um den Umgang mit dem Oszilloskop zu
trainieren. Und wenn man alle möglichen Störungen schon einmal gesehen
hat, fällt man nicht mehr so leicht darauf herein, wenn sie sich einmal
in ernsthafte Messungen einschleichen. Zugleich kann man aber auch
Regeln daraus ableiten, die Fehlmessungen vermeiden helfen. Man sollte
keine langen nichtabgeschirmten Messkabel einsetzen, weil sie Störungen
einfangen können. Und man sollte niemals den Masseanschluss des
Messkabals offen lassen. Wenn man kleinste Signale an sehr hochohmigen
Quellen messen will, kann es nötig werden, dass man den gesamten Aufbau
gegen äußere Felder abschirmt.
Genauso schädlich sind Masseschleifen. Hier wurde die
Messspitze in der Einstellung 1:1 an das Massekabel des digitalen
Oszilloskops angeschlossen, das über ein USB-Kabel mit dem PC verbunden
ist. Beide Geräte verwenden den Schutzleiter der Steckdose als
Massepotential. Ich messe also Masse gegen Masse, sodass man die
Signalspannung Null erwarten könnte. In der empfindlichsten Einstellung
des analogen Oszilloskops mit 5 mV/cm erkennt man aber trotzdem
irgendwelche Signale. Üblicherweise verstelle ich dann die
Zeitablenkung, bis ich irgendwas klar erkennen kann. Bei 20 µs/cm
erscheint ein klares Bild mit Impulsen im Abstand 20 µs. Die Ursache
könnte irgendein Schaltnetzteil mit einer Frequenz von 50 kHz sein,
vielleicht der PC selbst.
Wenn ich die Zeitbasis auf 1 µs/cm einstelle, werden die
Impulspakte genauer angezeigt. Jetzt erkennt man abklingende
Schwingungen mit einer Frequenz um 3 MHz, die vermutlich durch scharfe
Schaltflanken angeregt werden. Das sind also typische EMV-Signale, wie
sie einen Funkamateur ärgern können, wenn sie schwache Funksignale
übertönen. Alle möglichen Kabel wirken ja auch als Antennen, sodass
solche Störungen ausgesendet werden. In bewohnten Gebieten gibt es weit
und breit keine störungsfreien Räume mehr. Und mit einer Masseschleife
können die Störsignale auch Messungen verfälschen. Beide Geräte sind im
Abstand 2 m aufgestellt. Zusammen mit den Netzkabeln und den
Messleitungen wurde hier eine Masseschleife mit einem Umfang von mehr
als 4 m gebildet. Weil jedes Kabel auch Widerstand und Induktivität
hat, bilden sich Spannungsabfälle der Ausgleichströme, die hier
sichtbar werden. Dazu kommt, dass längere Leitungen schwingfähige
Gebilde mit Eigenresonanzen darstellen. Man kann also vermuten, dass
die beobachteten 3 MHz auf die Kabellänge zurückzuführen sind.
Frequenzgang
Hier wird ein Rechtecksignal mit 1 kHz und 5Vss gemessen, das von
einem Arduino erzeugt wird. Die Einstellung am Oszilloskop ist 10 * 0,1
V/cm, 1 ms/cm. Man kann sehen, dass die Spannung 5 V sehr gut stimmt,
während die Frequenz etwas ungenau ist. Die steigenden und fallenden
Flanken bleiben unsichtbar, weil sie fast unendlich schnell durchlaufen
werden. Das bedeutet zugleich, dass die Bandbreite des Oszilloskops
sehr viel größer ist als die Messfrequenz, nämlich 20 MHz im Vergleich
zu 1 kHz. Ein ideales Rechtecksignal enthält unendlich viele
Oberwellen, die nach Möglichkeit vollständig übertragen werden sollten,
damit ein Rechtecksignal genau abgebildet werden kann.
Etwas anders sieht es aus, wenn ich das Rechtecksignal auf 100 kHz
einstelle. Es wurde ein Arduino verwenden, um die Signale zu erzeugen,
genauer das Arduino-Messlabor. Das Oszilloskop wurde auf 2 µs/cm
eingestellt. An jeder Flanke sehe ich nun einen kleinen Überschwinger.
Dass der Arduino die erzeugt, ist physikalisch unmöglich. Es handelt
sich also um einen Messfehler, der durch eine Überhöhung im
Frequenzgang entsteht. Das Problem könnte dadurch entstanden sein, dass
das Oszilloskop eine Bandbreite von 20 MHz hat, das Messkabel aber für
60 MHz ausgelegt war.
Hier wurde der Rechteckgenerator auf 8 MHz eingestellt. Die
Ablenkgeschwindigkeit wurde auf 0,5 µs/cm eingestellt und zusätzlich
der Bereich um den Faktor 10 gespreizt. Man sieht nun deutlich
abgeflachte und abgerundete Flanken. Dass der Arduino selbst genau
diese Kurvenform erzeugt, ist unmöglich. Es ist also klar, dass das
Oszilloskop das Signal verfälscht, weil es an den Grenzen der
zeitlichen Auflösung liegt. Ein symmetrisches Rechtecksignal mit 8 MHz
enthält ungerade Oberwellen, also Frequenzanteile bei 24 MHz, 40 MHz,
56 MHz, 72 MHz usw., die alle bereits außerhalb der Bandbreite des
Oszilloskops von 20 MHz liegen. Wenn die Oberwellen des Rechtecksignals
nur noch geschwächt übertragen werden, kommt diese abgerundete
Kurvenform heraus. Man muss also wissen, dass tatsächlich ein
Rechtecksignal gemessen wird.
Hier wurde ein Sinussignal mit 30 MHz gemessen, das also deutlich über
der Bandbreite des Oszilloskops liegt. Die Kurvenform wird nicht
verfälscht, es bleibt ein Sinus. Aber die angezeigte Amplitude stimmt
nicht mehr. Das Signal wird deutlich zu klein dargestellt. Messungen
jenseits der Bandbreite sind also möglich, aber man muss die Ergebnisse
mit Vorsicht interpretieren.
Hier wird wieder ein Rechtecksignal dargestellt, diesmal mit 1 MHz.
Man sieht deutliche Überschwinger und abklingende Schwingungen nach
jeder Flanke. Bei dieser Messung wurde das Massekabel des Messkopfes
nicht anschlossen. Die Masseleitung bildet daher eine große Schleife
und hat eigene Resonanzen wie eine Antenne. Die Leitung wirkt wie ein
Schwingkreis, der periodisch zu freien Schwingungen angeregt wird.
Gleichzeitig wird auch HF-Energie abgestrahlt, sodass ungewollte
Signale auf Vielfachen von 1 MHz ausgesendet werden.
Dasselbe Signal mit 1 MHz sieht schon wesentlich besser aus, wenn
man es mit dem kurzen Massekabel und direkt mit dem Messkopf
anschließt. Man erkennt allerdings schon die begrenzte Flankensteilheit
in der Darstellung und in diesem Fall auch leichte Überschwinger, die
möglicherweise auf ein nicht genau passendes Messkabel zurückgehen.
Jedenfalls muss man wissen, dass hier ein Rechtecksignal vorliegt, das
in der Darstellung geringfügig verfälscht wird.