2.1 LED im Stromkreis

von Andreas Thaler

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Das erste Experiment in den „Grundschaltungen“ führt gleich zu einem interessanten Problem: Wie berechne man den Spannungsabfall an einer LED? Mit dem Ohm‘schen Gesetz kommt man bei 9 V Eingangsspannung mit einem angenommenen Uled = 2 V (Grün) und 7 V am 2,2k-Widerstand schon irgendwie hin. Aber da eine LED ein Halbleiter ist mit einer exponentiellen (und nicht linearen) Kennlinie werden die Spannungsabfälle nicht stimmen. Wie kommt man da weiter als Praktiker?

Hilft die Shockley-Gleichung?

Da gibt es die eindrucksvolle Shockley-Gleichnung https://de.m.wikipedia.org/wiki/Shockley-Gleichung, die die Strom-/Spannungskennlinie einer Halbleiterdiode beschreibt. Und da sind wir mit unserer LED genau richtig. Aber die Shockley-Gleichung ist nicht einfach zu verstehen und man muss sie auch erst einmal in seinen CAS-Rechner bekommen. Mit dem Schulmathematikwissen wird man es hinkriegen, aber Boltzmann-Konstante und Elementarladung - als Parameter in der Gleichung - sind dann doch etwas unhandliche Parameter. Und überhaupt, wir wollen ja praktische Elektronik betreiben und nicht theoretische Physik.

Dann besser doch die LED-Kennlinie?

Da wäre es schon besser, die Kennlinie der LED zur Verfügung zu haben, anhand derer man sieht, wie Spannung an einer LED und durch sie fließender Strom zusammengehen. Aber wie hängt das dann mit dem Vorwiderstand zusammen? Der bestimmt ja, wieviel Strom durch die LED (und ihn selbst) fließt. Die Arbeitslinie muss also ermittelt werden. Also die jeweiligen Strom-/Spannungspaare auf einer Geraden, die auf der senkrechten Stromachse den Maximalstrom und auf der Spannungsachse die maximale Spannung angibt. Und da alles mit Geodreieck und Bleistift relativ ungenau am Millimeterpapier erstellt wird, ist das auch nur eine Näherung zum Ablesen der Strom-/Spannungspaare.

Zur LED gibt es im Lernpaket kein Datenblatt. Kann ich dann irgendein Datenblatt aus dem Web hernehmen? Und sind alle grünen LEDs aller Hersteller gleich in ihren Werten? Oder soll ich besser doch die Kennlinie meiner speziellen LED selbst ermitteln?
(BK: Es ist fast unmöglich, genaue Kennlinien realer LEDs zu bekommen. Vor längerer Zeit habe ich mal die Kennlinien verschiedener Dioden gemessen. Aber mit der Weiterentwicklung der LEDs ändern sich auch die Kennlinien deutlich.)




Oder die Formel für den LED-Vorwiderstand?

Halt, da gibt es doch eine Formel zur Ermittlung des Vorwiderstandes bei gegebener Eingangsspannung und dem Diodenstrom! Da könnte man doch einfach den schon bekannten Vorwiderstandswert einsetzen um den Gesamtstrom zu ermitteln. Aber geht das auch so einfach?
Der inzwischen verwirrte Elektronik-Bastler zweifelt an seinem Wissen. In der Elektronik muss doch alles genau zu berechnen sein! Oder?


Simulation der Schaltung am Rechner

Er greift zum Simulator und baut die Schaltung am Bildschirm auf. Für die meisten elektronischen Bauteile können in der Software Werte eingegeben werden. Als Standard sind für alle LEDs im hier benutzten EveryCircuit (https://everycircuit.com/) 2 V und 20 mA vorgegeben. Die Farbe kann frei gewählt werden. Aber da fällt dem Bastler ein, dass verschiedene LED-Farben doch auch verschiedene LED-Vorwärtsspannungen bedeuten. Was nun einstellen? Für die grüne LED bleibt er bei den voreingestellten 2 V und 20 mA. Schnell ist die Schaltung zusammengesetzt. Und mit ein bißchen Bauchflimmern startet er die Simulation. Er sieht:



Und atmet erleichtert auf. So ungefähr kommen die angezeigten Spannungsfälle hin: 1,81 V zu angenommenen 2 V Und 7,19 V zu 7 V! Die Differenzen sind gering und für die Praxis zu vernachlässigen. Und die Bauteile haben ja auch noch Toleranzen.

Aber wirklich zufrieden ist der Bastler nicht. Er möchte es doch berechnen können, so ungefähr ist ihm nicht genug. Da sieht er, dass in der Simulation der Gesamtstrom nicht 20 mA, sondern nur 3,27 mA beträgt. Aber wie kann das sein? Der Bastler hatte doch 20 mA für die LED eingegeben. Wie geht das zusammen? Da fallen ihm andere Schaltungen von Burkhard Kainka ein. Da waren die Vorwiderstände für die LEDs doch viel kleiner - 350 Ohm zum Beispiel. Aber warum ist der Vorwiderstand im Lernpaket 2,2k groß? Da ist auf jeden Fall klar, dass der Gesamtstrom kleiner sein muss. Nur, wie errechnet man diesen?

Der Bastler greift zu Papier und Bleistift und schreibt die Formel zur Berechnung des Vorwiderstandes einer LED auf:

Rv = (Ue - Uled)/Iled

Vorwiderstand = (Eingangsspannung - Vorwärtsspannung LED)/LED-Strom

Er setzt die Werte in die Formel ein:

2200 = (9 - 2)/Iled

und stellt die Gleichung um:

Iled = (9-2)/2200
Iled = 0,00318 A ~ 0,0032 A = 3,2 mA

Der errechnete Gesamtstrom stimmt mit dem in der Simulation angezeigten überein! Ein Lösungsweg ist gefunden. Ohne Shockley-Gleichung und LED-Kennlinie :-)


Nur die Messung zeigt die Wahrheit

Der nächste Schritt ist der Aufbau der Schaltung am Steckbrett und das Messen. Mit dem Multimeter ermittelt der Bastler:

UE = 9 V
ULED = 1,95 V
UR1 = 7,05 V

Daraus lässt sich rechnerisch der Strom durch Widerstand und LED (Gesamtstrom) ermitteln ...

U = R * I
Iges = 7,05/2200 = 3,2 mA

... und die Verlustleistung, die am Vorwiderstand entsteht:

P = U * I
PR1= 9 * 0,0032 = 23 mW

Fazit:

Vergleicht man nun die Werte der simulierten Schaltung mit den gemessenen (tatsächlichen) Werten, so sieht man, dass diese nahe beinander liegen. Auch die Schätzung kommt gut hin. Damit kann man arbeiten.

Gelernt: Spannungsabfälle an LEDs lassen sich - bis auf die Messung mit einem Multimeter - nicht einfach ermitteln. Am einfachsten und schnellsten geht es mit der Simulation.