Der NoName-Oszillator      
Entwicklungen von Sulzer        

von Peter Gerber, HB9BNI     

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Auftritt 1948 ( Sulzer P.: The Tappered Phase Shift Oscillator. Proc. IRE, 1948. Oct. 1302 - 1305), von Peter Sulzer, damals noch "associate" der IRE. Sulzer beklagt sich, dass sowohl das Netzwerk mit 3 Stufen wie auch dasjenige mit 4 Stufen derart große Abschwächungen erzeugen (um den Faktor 29 bzw 18), dass man mit einer der üblichen Trioden nicht genügend Spannungsverstärkung erreicht, um den Oszillator zum Schwingen zu bringen. Es gab zwar bereits Trioden mit höherer Spannungsverstärkung („high-mu-Trioden“), die waren aber deutlich teurer. Es half auch nicht, einfach zwei günstige Trioden zu verwenden, die hatten dann die falsche Phasenverschiebung und drei Trioden für einen NF-Oszillator war dann wohl doch zu viel.

Intermezzo: die Triode

Das obige Bild zeigt ein rudimentäres Schaltschema einer Triode: links die Eingangsspannung zwischen Gitter und Masse, oben die Betriebsspannung und rechts die resultierende Ausgangsspannung zwischen der Anode und Masse. Je grösser der Strom durch die Röhre ist, desto mehr der Versorgungsspannung fällt am Arbeitswiderstand R1 ab.

Die Funktion einer Röhre wird üblicherweise wie folgt dargestellt

Das Digaramm stellt den Zusammenhang zwischen der Spannung des Gitters relativ zur Kathode auf der horizontalen Achse und dem Strom durch die Röhre auf der vertikalen Achse als unten abgebogene Linie, der Übertragungskennlinie dar. Vorausgesetzt ist eine konstante Spannung der Anode in Bezug auf die Kathode, also ein Arbeitswiderstand von 0 Ohm. Die Physik verlangt dabei bei fast allen Röhren, dass die Spannung am Gitter (horizontale Achse) negativ ist in Bezug auf die Kathode. Will man einen einigermassen linearen Verstärker, wird diese Gittervorspannung so eingestellt, dass sie ohne Signal etwa in der Mitte des geraden Abschnittes der Übertragunskennlinie liegt. Dieser Punkt, der Arbeitspunkt, ist im Diagramm mit „A“ gekennzeichnet.

Legt man nun eine Wechselspannung zusätzlich an das Gitter (im Diagramm von unten nach oben laufende Sinuskurve), so resultiert dann der nach rechts laufende Verlauf des Anodenstroms. Gitterspannung und Anodenstrom sind dabei in Phase: hohe (= weniger negative Gitterspannung ergibt einen hohen Anodenstrom).

Das alles nützt nun vorerst gar nichts. Die ganze Leistung, die die Röhre aufnimmt (Anodenspannung x Anodenstrom) wird in Wärme umgewandelt, fast alles an der Anode. Man muss den fliessenden Strom in eine Spannung umwandeln. Das geschieht durch das Einschalten eines Bauteils zwischen Betriebsspannung und Anode. Dazu ist jedes Bauteil geeignet, das Gleichstrom durchlässt: Ohm’scher Widestand, Drossel, Tansformator, Parallelschwingkreis, Glühlampe, Heizstrahler etc. Dieses Bauteil sorgt dann für einen Spannungsunterschied zwischen Betriebsspannung und Anode und damit auch zwischen Anode und Masse. Dieser Spannungsunterschied kann weitergeleitet/gemessen werden. Falls es sich bei der Eingangsspannung am Gitter um eine Wechselspannung handelt, erscheint die Wechselspannung zwischen Anode und Masse invertiert, hat also eine breitbandige Phsenverschiebung von 180 Grad.

Weil nun die Spannung an der Anode nicht mehr konstant ist, und die Arbeitskennlinie nur für eine konstante Anodenspannung gilt, muss man eine neue, „dynamische“ Arbeitskennlinie errechnen, die dann die Funktion der Stufe bestimmt. Wenn man, wie oben, einen Ohm’schen Widerstand einfügt, braucht man neben der Betriebsspannung auch noch ein weiteres Kennlinienfeld, das im Prinzip die gleichen Daten verwendet wie das Transferkennlinienfeld, diese aber anders darstellt: Die Abhängigkeit des Anodenstroms von der Anodenspannung (also nicht von der Betriebsspannung) bei unterschiedlichen Gittervorspannungen.

Für die folgende Analyse habe ich den Arbeitswiederstand zu 15 kOhm und die Betriebsspannung zu 300V gewählt. In der folgenden Darstellung ist die Konstruktion der dynamischen Transferkennlinie anhand der beiden Tennlinienfelder für die Triode 6C4 demonstriert; in der Doppeltriode ECC82 (Diese Röhre wird heute noch produziert, die Abbildung ist aus dem Datenblatt von JJ. Sie wird gerne von „Audiophilen“ in Vorvertärkern für Guitarren eingesetzt, aber auch für HiFi-Röhrenendstufen. Sie sorgt dort für den offenbar verbreitet beliebten „Triodenklang“, bzw für die nichtlinearen Verzerrungen, die diesen Triodenklang kennzeichnen.) sind zwei solche Systeme enthalten. Die 6C4 war in den 1940er Jahren eine „bessere“ („medium-mu“) Feld- Wald- und Wiesentriode.

Zuerst wird in das Anodenkennlinienfeld (rechte Hälfte), die die Abhängigkeit des Anodenstroms (vertikale Achse) von der Anodenspannung (horizontale Achse) zeigt, die sogenannte Widerstanslinie (rot) eingezeichnet. Die beiden Endpunkte dieser Linie werden anhand der Betriebsspannung (300V) und des Arbeitswiderstandes (15kOhm) bestimmt: 300 V lassen durch 15 kOhm 20 mA fliessen, das ergibt den Endpunkt auf der Ordinate. Schwarz ist auch die sogenannte Verlusthyperbel eingezeichnet, die die maximal verkraftbare Wärmeproduktion an der Anode darstellt. Verweilt der Zustand der Röhre längere Zeit oberhalb dieser Linie, kann die Anode Schmelzen. Zulässig ist eine Verlustleistung der Anode von 2.75 W. Die beiden blauen Punkte zeigen zwei der Schnittpunkte dieser roten Widerstandslinie mit der Schar der IA / UA  – Linien bei verschiednenen Gitterspannungen. Der linke blaue Punkt liegt auf der Gitterspannungslinie 0V und lässt auf der ordinate den dann fliessenden Anodenstrom von 13 mA ablesen. Auf der Abszisse lässt sich für diesen linken Punkt die in dieser Situation noch anliegende Anodenspannung ablesen, gut 100 V. Diese Werte, 100V und 13 mA werden nun auf das linke Kennlinienfeld übertragen, es ist der dort am weitesten rechtes liegende grüne Punkt. Entsprechendes gilt für den rechten der blauen Punkte, der im linken Kennlinienfeld dem am weitesten links eingezeichneten grünen Punkt entspricht. Dazu habe ich noch zwei weitere grüne Punkte bestimmt und eingetragen und sie mit einer grünen Linie verbunden. Man sieht, dass diese „dynamische“ grüne Linie deutlich stärker gebogen und deutlich weniger steil ist. Die Spannungsverstärkung der Triode ist also deutlich kleiner als der im Datenblatt angegebene Wert. Im Datenblatt steht ein mu-Wert von rund 17, die Spannungsverstärkung der Triode mit diesen Randbedingungen beträgt knapp über 10.

Immerhin versteht man jetzt, dass in der Frühzeit der Röhrentechnik fast alle NF-Verstärker mit Transformatorenkoppelung betrieben wurden.

Die Transformatoren transformierten die Spannung immer aufwärts, so auch hier. Aus „Des Funkbastlers Ratgeber“, Informationsbroschüre der Firma Anschütz (1926), die solche Transformatoren herstellte. Siehe http://www.tubebooks.org/technical_books_online.htm . Anschütz produzierte auch andere Geräte, vor allem Kreiselkompasse. Wegen eines Patentstreits zog man einen Patentfachmann zu, einen gewissen Albert Einstein.

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Sulzer empfahl deshalb, die drei Stufen des Netzwerkes zwar mit der gleichen Grenzfrequenz zu bemessen, aber mit unterschiedlicher Impedanz. Anderes gesagt: am Eingang des Netzwerkes grosse Kapazitäten und kleine Widerstände, am Ausgang umgekehrt, und das bei gleichem R*C in allen Stufen. Eine Röhre (Für moderne Leute: Diese Dinger, Röhren genannt, entprechen einem N-Kanal-JFET. Falls mehr als drei Drähte dran sind, vertraue man dem Entwickler, dass er diese Drähte mit den korrekten Spannungen und Strömen versorgt hat. Paraphrasiert nach Jim Williams.) in Kathodenbasisschaltung hat ja eine vergleichsweise niedrige Ausgangsimpedanz (einige kOhm) aber eine sehr hohe Eingangsimpedanz (weit über einige MOhm), die allerdings verkleinert wird durch den notwendigen Gitterableitwiderstand, dessen maximale Grösse in den Datenblättern angegeben ist und jeweils um 1 – 2 MOhm beträgt.

Sulzer definiert einen Skalierungsfaktor a, mit dem in der Hochpassversion die Kapazität jeder Stufe kleiner und der Widerstand grösser wird. Dabei kann man das Prinzip problemlos auch nur approximativ umsetzen. Im rechten Beispiel verwendet er mal den Faktor 3, dann in der nächsten Stufe den Faktor 3.33. Der letzte Widerstand (1.5 MOhm) ist der maximal zulässige Gitterableitwiederstand der verwendeten Röhre 12AU7, identisch mit der ECC 82.

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Der Effekt ist dramatisch. Sulzer berechnet die Abschwächung des Netzwerkes (und damit die benötigte Spannungsverstärkung der Röhre) in Funktion dieses Skalierungsfaktors a für ein Netzwerk mit 3 und mit 4 Sektionen

Mit einem Skalierungsfaktor von 3 kommt er bei drei Sektionen von einer notwendigen Spannungsverstärkung von 29 runter auf 13, bei 4 Sektionen von 18 runter auf knapp 7
Allerdings ändert sich auch die Frequenz. Der oben als  bezeichnete Koeffizient bei der Frequenzformel, der also 2.44 beträgt, fällt bei einem a von 3 auf gut 1.9. Bei einem Netzwerk mit 4 Sektionen fällt er von 1.195 bei a =1 auf unwesentlich über 1 bei a = 3.

Leider leider nennt auch Sulzer diesen Oszillatortyp auch nur „phase shift oscillator", ohne den Erzeuger zu nennen. Kein Eponym kann diesem Oszillatortyp zugeordnet werden, nicht einem die vormals übliche Lösung für die Benennung, wie der Name des Kirchenpatrons des Ablegeortes, ein Wochentag wie „Freitag“ bei Robinson, ein Monatsname wie „Janvier“ bei Kommissar Maigret, noch nicht mal ein Monatsdatum wie beim früheren Erzbischof von Paris (und Kardinal) André Vingt-Trois (Die französischsprachige Wikipedia schreibt dazu: Son patronyme sous forme de nombre a vraisemblablement été donné à un ancêtre orphelin abandonné : cela pourrait être « le numéro d'une porte ou le numéro d'un lit ou le numéro du jour ». https://fr.wikipedia.org/wiki/Andr%C3%A9_Vingt-Trois). Das Kind ist und bleibt ein vaterloses Findelkind.

Der NoName-Oszillator 1: Experimente
NoName-Oszillator 2: Theorie
NoName-Oszillator 3: LTSpice  
NoName-Oszillator 4:  Peter Sulzer
NoName-Oszillator 5: H.W.Nichols  

CC BY-NC-ND


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