Der NoName-Oszillator      
Das Patent von Nichols         

von Peter Gerber, HB9BNI     

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It is always darkest before the dawn

Auf der Suche nach dem Vater des „phase shift oscillator" habe ich auch viele Artikel in populärwissenschaftlichen Publikationen angeschaut, "QST", zum Beispiel, der Zeitschrift der US-Funkamateuren, die ARRL Handbücher, „Popular Mechanics“, die auch elektrische Apparate behandelte, was immer als Digitalisat zur Verfügung stand. Irgendwie mussten ja die Funker in der ersten Häfte des 20. Jahrhunderts  (Die Frage, wie die Telegrafisten im 19. Jahrhundert das Morsen gelernt hatten erübrigt sich. Über Leitungen wurde mit Gleichspannungsimpulsen telegrafiert und die wurden am Empfangsort aufgezeichnet oder ein entsprechendes Messgerät beobachtet.) das Morsen lernen, brauchten also Übungsoszillatoren. Die gab es zu Hauf, fast immer einfache Meißner-Oszillatoren mit einem NF-Trafo als Phasendreher, manchmal auch mit einer einfachen Drossel und einem Parallel-C. Manchmal auch einfache Summer (Ein Beispiel findet sich hier: http://www.elektronik-labor.de/Labortagebuch/Tagebuch0722.html#cw), also Elektromagnete, die mit einem mechanischen Schalter versehen waren, der die Spannung unterbrach, wenn sich das Magnetfeld aufbaute. Hausklingeln funktionierten früher auch so. Auch professionelle Tonfrequenzgeneratoren waren vor 1940 keine RC-Generatoren, sondern hatten LC-Schwingkreise oder waren Überlagerungsoszis.

Bei der Suche nach wissenschaftlichen Artikeln habe ich auch einen kleinen Fehler gemacht. Irrtümlich habe ich eine Seite erwischt, die nicht den gesuchten Artikel enthielt, sondern die in diesem Artikel verwendete Literatur. Und eine dieser Literaturstellen war auch mit einem Link versehen, den ich anklickte. Eine Masterarbeit der Boston University von 1948. „Serendipity“ nennt man solche glückliche kleine Zufälle und Fehlleistungen.

und diese Arbeit enthält auf Seite 3 die Bemerkung

Und in der Fussnote 5: U.S.Patent 1,442,781, January 16, 1923 (filed July 7, 1921)

Ansonsten ist die Arbeit von Woods über weite Strecken ein sehr naher Verwandter des Textes von Sulzer: auch Woods untersucht (unter anderem) RC-Netzwerke mit ungleichen R’s und C’s, das „a“ von Sulzer, das Woods auch als „a" bezeichnet, beträgt hier ca 2.

Hier mit einem direkt (galvanisch) gekoppelten Kathodenfolger als Impedanzwandler. Der Rückkoppelungsweg ist nicht gezeichnet, das x rechts oben ist mit dem x links zu verbinden. Das mit NE-51 bezeichnete Bauteil stabilisiert die Betriebsspannung der ersten Röhre V1

H.W.Nichols und das US-Patent 1442781

Google Patents liefert das Patent von Nichols sofort; Roy Woods hatte für seine Masterarbeit mehr Probleme, ihm stand offenbar nur eine auszugsweise Kopie zur Verfügung. Und, tatsächlich, in der Patentschrift von Nichols mit dem Titel "Reamplifying System“ findet man, neben anderen Schemata

mit der Beschreibung


und, weiter unten

The Sections of the network may be made alike, in which case the network is termed “iterative,” or they may be unlike. In the case of the iterative network, the phase shift and attenuation are the same for each mesh and it is accordingly possible to readily calculate the phase shift and attenuation produced by the network as a whole or conversely to determine the constants of the network which will produce a definite phase shift and attenuation at a given frequency. The method of calculation for iterative networks is similar to that by which the constants are determined for reactive iterative networks as set forth in United States patents to G. A. Campbell, nos. 1227,113 and 1,227,114 patented May 22, 1917. The frequency of the oscillations and the amplifying power necessary to produce them may be calculated in the manner outlined in the article entitled “The audion as a circuit element Physical Review, N. S. volume 13, No. 6, June, 1919. Note particularly pages 412 to 414 inclusive. (Die beiden erwähnten US-Patente 1227113 und 1227114 von Campbell (erteilt 22. Mai 1917) haben den gleichen Text und betreffen einerseits mehrere LC-Bandpassfilter und andererseits einen mit diesen Filtern gebauten bidirektionalen Verstärker für Telefonleitungen.)

Der Ausdruck in der zweitletzten Linie „The audion as a circuit element“ mag erstaunen. Wir verstehen heute unter einem „Audion“ einen Rückkoppelungsempfänger, nicht ein Bauteil. Damals war „audion“ ein Markenname, zuerst für eine Art Restgas enthaltende Dioden (Siehe US patent 841386), dann wenig später und fast ausschliesslich für Trioden eines bestimmten Herstellers, Lee de Forest. Der hatte wohl mit Nachahmern zu kämpfen:

(aus einer zeitgenössischen (1916) Werbung. Siehe https://en.wikipedia.org/wiki/Audion#/media/File:Audion_vacuum_tube_advertisement.png

Nichols beschreibt auch die Daten eines Oszillators, den er gebaut habe, allerdings handelt es sich dabei um einen Röhrenoszillator mit einem RLC-Netzwerk. Er behauptet nicht, dass er die beiden oben abgebildeten reinen RC-Oszillatoren gebaut hat. Gut, das war ja erst 15 Jahre nach Erfindung der Elektronenröhre. Wahrscheinlich wäre eine Spannungsverstärkung von 19 mit einer damaligen Triode nicht erreicht worden.

Eine der Abbildungen zeigt auch einen Rückkoppelungsempfänger, Meißner Schaltung.

 

Das nächste Mal, wenn ich über diesen RC-Oszillator  schreibe, heisst der Titel dann

Der Nichols-Oszillator

Der NoName-Oszillator 1: Experimente
NoName-Oszillator 2: Theorie
NoName-Oszillator 3: LTSpice  
NoName-Oszillator 4:  Peter Sulzer  
NoName-Oszillator 5: H.W.Nichols

CC BY-NC-ND


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