Elektrizität und Magnetismus
Experimentierkasten von Teenii STEM aus China (2019)
Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (9)
von Klaus Leder
Seit 2019 wird unter dem Markennamen „Teenii“ ein
Elektro-Experimentierkasten aus China bei Amazon angeboten, der
aufgrund der reichhaltigen Ausstattung und des günstigen Preises von
ca. 60 € Beachtung findet. Der Karton ist in englischer Sprache
beschriftet und zeigt eine Kinderfigur im weißen Kittel, die wie einst
A. Einstein die Zunge herausstreckt.
In einer Tiefziehfolie verpackt, enthält der Kasten mehr als 26
Komponenten, deren Qualität im Vergleich zu dem chinesischen
Experimentierkoffer 24023 grundlegend verbessert wurde. Für die
Bauteile ist nun hochwertiger Kunststoff verwendet worden und die
vielen Verschraubungen wurden durch maschinelle Herstellung reduziert.
Elektrische Schraubverbindungen sind durch Federklemmen mit
anwenderfreundlichen Kunststofffassungen ersetzt worden. An die Stelle
der beiden Batteriekästen für schwere Monozellen treten drei
zusammensteckbare Halterungen für preisgünstige AA-Zellen. Das Modell
des Elektromotors enthält nicht mehr einen Neodymmagneten sondern zwei
Dauermagneten.
Zum Inhalt gehören 3 Batteriehalter, 2 Hebelschalter, 1 Umschalter, 3
Glühlampenfassungen und Glühbirnen, 1 Widerstandsmodul (5, 10, 15, Rx
Ohm), 1 Elektromagnet, 1 Kompass, 1 Elektromotormodell, 1
Schiebepotentiometer, 3 Kupfer- und 3 Zinkelektroden, 10 Litzen mit
Kabelschuhen und Krokodilklemmen, 1 Schraubendreher sowie 2 pultförmige
Drehspulinstrumente für Spannungs- und Stromstärkemessungen.
Folgende Bauteile, die der Experimentierkoffer 24023
nicht enthielt, sind bei Teenii hinzugekommen: Hufeisenmagnet,
Stabmagnet, Magnetwagen, Dauermagnet, Ständer mit 3 Ringmagneten,
transparente Box mit Eisenfeilspänen, Klingelmodell, Zweischienenmodul
und Kurbelgetriebe mit Generator.
Der für die hochwertige Ausstattung des Experimentierkastens günstige
Preis lässt erkennen, dass durch eine Massenproduktion der Weltmarkt
rasch erobert werden soll. Allerdings schlägt sich diese Strategie in
einer 41-seitigen Anleitung nieder, die voller sprachlicher und
physikalischer Fehler steckt und die den Möglichkeiten des guten
Experimentiermaterials nicht gerecht wird.
Die 18 Kapitel, in denen die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe
I mit Sie angesprochen werden, sind stets gleich gegliedert: Frage,
Ziele, Vorsichtsmaßnahmen, Materialien, Verfahren, Analysieren,
Zusammenfassen und Anwenden. Dieses starre Schema macht deutlich, dass
der Experimentierkasten als Praktikum für den Schulunterricht
konzipiert wurde und die Anleitung keinen Platz für eine Motivierung
der Schülerinnen und Schüler lässt. Da schimmert die Angst vor der
Regelungswut der EU-Behörden durch, wenn bei jedem Versuch mit einem
Glühlämpchen unter Vorsichtsmaßnahmen steht: „Kabel und Glühbirnen
können heiß sein, wenn sie über einen längeren Zeitraum über die
Batterie angeschlossen werden“.
Ärgerlich wird es, wenn nicht zwischen physikalischen Größen und
Einheiten unterschieden und z. B. für das Ohmsche Gesetz angegeben
wird: R = V/I. Die Zeichen für größer als (˃) und kleiner als (˂)
werden bei der Erklärung der Widerstände permanent vertauscht. In
Kapitel 8 rutschen französische Überschriften über den Text. Die
farbigen Grafiken sind klar und verständlich, aber der Text der
Anleitung bedarf einer gründlichen Überarbeitung, damit aus
„Bügeleisenspänen“ Eisenfeilspäne, aus „Magnetventil“ ein Elektromagnet
und aus „Stoßfestigkeit“ ein Widerstand werden.
Das vielfältige Experimentiermaterial bietet sich für eine gänzlich
neue Versuchsanleitung von einem deutschsprachigen Fachverlag an. Eine
neue Anleitung könnte auf den Physikunterricht in der Sekundarstufe I
ausgerichtet sein und als Praktikum zu Messungen und Berechnungen
auffordern. Eine andere Zielrichtung wäre eine Anleitung für das
private Experimentieren, die die Entdeckung von Phänomenen,
Forscherpersönlichkeiten und die Anwendung der Erkenntnisse über
Elektrizität und Magnetismus stärker in den Fokus rückt.
Die Frage nach der Zielgruppe, der Motivation und der Funktion von
naturwissenschaftlichen Experimenten bewegte schon vor hundert Jahren
Wilhelm Fröhlich, den Erfinder der Kosmos-Experimentierkästen. Mit der
Herausgabe des „Elektromanns“ wurde 1930 vom Franckh-Verlag in
Stuttgart eine Trennung von „Schulkästen“ und „Lehrspielzeugkästen“
vollzogen s. Elektromann, ein Kosmos-Lehrspielzeug von 1959. Die neuen
Materialien von „Teenii STEM“ aus dem aufstrebenden China werfen die
Frage nach der Gestaltung eines anspruchsvollen Experimentierkastens
für Schülerinnen und Schüler in Deutschland erneut auf.
Der in China entwickelte Baukasten zeigt, dass die Themen
„Praxisausbildung in den Naturwissenschaften“ und „Experimentierkästen“
ernstzunehmende bildungspolitische Bedeutung haben. In China hat die
Förderung der naturwissenschaftlichen Bildung zu zahlreichen von
Europäern bestaunten Innovationen in Elektronik, Gen- und
Weltraumtechnik geführt.
s.a.
Märklin
ELEX 503: Experimentierkasten der Oberklasse von 1932
Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (1)
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A. der Ernst Plank KG, Nürnberg 1866
Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (2)
EFIX-Studio,
ein Experimentierkasten der 1950er Jahre
Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (3)
Elektromann, ein Kosmos-Lehrspielzeug von
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Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (4)
Elektropionier-Experimentierkästen von Mehano 1959 – 2020
Elektro-Experimentierkästen im Wandel der Zeit (5)
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Elektrische
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